Beiträge
Die neuen Beiträge werden immer am Ende der Seite ergänzt. Es lohnt sich regelmäßig nachzuschauen.
Am 11.12.2025 wurden kurze Beiträge zur künstlichen Intelligenz, zur Rente, zur Wirtschaft und Bildung veröffentlicht.
Am 06.12.2025 sind die Beiträge zu der Pressekonferenz am 21.11.2025 zur häuslichen Gewalt und zu der Meldung der GEW vom 02.12.2025 auf dieser Seite erschienen.
Heute am 29.11.2025 ist der Beitrag "Der Einfluss der Motivation auf die Persönlichkeitsentwicklung" und am 24.11.2025 ist der Beitrag zum verräumlichten Subjekt nach Foucault auf dieser Seite erschienen. Für alle Philosophen sehr zu empfehlen. Der Beitrag zur Motivation ist auch sehr entscheidend für den Unterricht in der Schule. Es empfiehlt sich erst den Beitrag zu Foucault, dann meinen Artikel bei nAB (siehe Link zur PDF) und dann den Beitrag zur Motivation zu lesen. Für alle Nicht-Philosophen einfach den Beitrag zu Foucault weg lassen.
Am 17.11.2025 wurde ein Beitrag zum Schwimmbad als Begegnungsort und einige Tage vorher ein Beitrag zum Deutschunterricht, sowie Fachkräftemangel im Lehrerberuf und Unterrichtsmaterial veröffentlicht. Diese geben praktische Anregungen für die Schulen.
Sehr zu empfehlen ist das Unterrichtsbeispiel zur interkulturellen Kompetenz und der Beitrag zur Bildungsverantwortung und sozialen Entwicklung.
Die Beiträge zur Migration, Flucht und Akkulturationseinstellungen liefern Hintergrund-Wissen für meine Artikel bei der Freien Psychotherapie. Diese helfen die Definitionen einheitlich zu benennen und einzuordnen.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen meiner Beiträge.
Chancengleichheit:
Je nachdem in welchen Stadtteil Kinder und Jugendliche aufwachsen, erfahren sie unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. „‘Die Adresse ist heute eine für das weitere Leben durchaus folgenreiche Determinante sozialer Ungleichheit im Kindes- und Jugendalter‘“ (zitiert nach Frey und Roters, 2006, S. 172 vgl. Stromeier, 2004). Von Armut betroffen sind in Deutschland jedes fünfte Kind (2,9 Millionen) und jeder vierte junge Erwachsene (1,55 Millionen) (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2023).
Ein weiteres Problem, welches durch die Bildungsverantwortung angegangen werden kann, wäre der Bewegungsmangel der deutschen Bevölkerung. Durch diesen wird die Lebensqualität eingeschränkt und die Lebenszeit verkürzt. Eine gezielte präventive Investition würde die Ausgaben des Gesundheitswesens und auch die Sozialleistungen kürzen (vgl. ZDFheute, 2022; Gehl, 2018, S. 133).
Bildungskrise:
Deutschland erlebt gerade die größte Bildungskrise seit dem zweiten Weltkrieg. Dramatisch ist, dass in Deutschland jährlich 50 000 Schüler.innen keinen Schulabschluss erreichen. Die PISA-Studien der OECD von 2022 zeigen auf, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Chancengleichheit von Schüler.innen in Hinblick zu ihrer sozialen Herkunft und in Bezug zum Bildungsniveau schlecht abschneiden (vgl. OECD, 2023; NEWS4TEACHER, 2023).
Bildungskonzept und Bildungskoordinator:
Gerade in Hinblick dessen könnte es in der Bildungslandschaft Kooperationen zwischen den einzelnen Institutionen geben (vgl. Frey & Roters, 2006, S. 174). Benötigt wird ein integratives Bildungskonzept, welches verschiedene Bildungsorte miteinander vernetzt. Dafür müsste sich das Rollenverständnis, veraltete Strukturen, Arbeitsteilungen und Spezialisierungen neu, global, flexibel ausrichten (vgl. Hartmuß & Markus, 2006, S. 108). Diesbezüglich könnte es in den Stadtverwaltungen einen „Bildungskoordinator“ geben, der als Schnittstelle dieser institutionellen Vernetzung dient und die Angebote für die Gesellschaft managt (vgl. Frey & Roters, 2006, S. 174).
Wirtschaftliche und soziale Aspekte der Bildungsverantwortung:
„Kein Zweifel besteht daran, dass Bildung im Wettbewerb der Kommunen zunehmend zu einem Standortfaktor wird. Die Kommunen, die heute in Bildung investieren, schaffen die Voraussetzung für sozialen Chancenausgleich und Wirtschaftswachstum“ (Frey & Roters, 2006, S. 174). Monofunktionale Einrichtungen werden in der heutigen Zeit nicht bestehen bleiben können, da diese zu eng konzipiert sind, teuer sind, ineffizient und Entwicklung blockieren (vgl. Frey & Roters, 2006, S. 184). Seit dem Jahr 2020 gibt es staatliche Fördermöglichkeiten über das Programm „Sozialer Zusammenhalt“, welche beantrag werden können. Ziele sind die Wohn- und Lebensqualität, sowie die Nutzungsvielfalt in den Quartieren zu erhöhen, die Integration aller Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und den Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu stärken“ (Bundesministerium für Wohnen).
Bedeutung des Jugendzentrums – neu entwickelt als „Chill-Area“
Das Jugendzentrum sollte dabei neu gedacht werden, weg von veralteten Strukturen, sondern innovativ, flexibel, offen, bunt, lebendig, Aktion reich, voller Spaß, Lebensfreude, Entwicklungsförderung, Leistungsförderung, soziale und interkulturelle Förderung, sowie Inklusion umsetzen.
Chill-Areas: Hier könnten die Städte sehr innovativ neue „Chill-Areas“ für Kinder und Jugendliche anbieten. Dort können sie einfach auf bunten Sitzsäcken oder Hängematten chillen und Musik hören, Gesprächsecken mit bunten Sesseln laden zum Gespräch ein.
Lernen und Hausaufgaben in der Chill-Area:
Tische und Stühle bieten die Möglichkeit Hausaufgaben zu machen, dafür stehen Mitarbeiter.innen bereit, die unterstützen können oder der Austausch der weiteren Jugendlichen wird gefördert, indem diese bei den Hausaufgaben helfen. Aus pädagogischen Gründen wäre dies ein wertvolles generationsübergreifendes Helfen, gegenseitiges Kennenlernen und die Möglichkeit des bürgerlichen Engagements. „In solchen Räumen sollten Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, verschiedene Felder und Formen des Engagements kennen zu lernen und auch selbst auszuprobieren, Engagement Rollen einzuüben und dabei gleichzeitig soziale und bürgerliche Kompetenzen zu erwerben. Wissen wird dadurch intensiver und nachhaltiger erworben, Teamfähigkeit und Verantwortlichkeit gehören ganz selbstverständlich zum Lernvorgang“ (Hartmuß & Markus, 2006, S. 109).
Angebote in der Chill-Area:
Es gibt themenspezifisch gestaltete Hobbyräume. In diesen finden regelmäßige AG‘s statt und abwechselnde Workshop‘s: z.B. kreative Styling Tipps „wie pimpe ich meine Kleidung mit niedrigem Budget auf“, Sport-, Fitness- und Gesundheitsevents, Kunstsessions, wie zum Beispiel ein „Graffiti-Workshop“ und Musik-Workshops (vgl. Bis es mir vom Leibe fällt e.V.).
Essen und Trinken in der Chill-Area:
Eine kleine Küche bietet die Möglichkeit für „ganz kleines Geld“ sich etwas Gesundes zu Essen und zu trinken zu kaufen und sich in Ruhe hinzusetzen und in Gesellschaft zu essen. Ein „Aktivshake“ oder „Chillshake“ sorgt für die richtige Energie zum Nachmittag. Gerade nach der Schule wäre dies sehr wichtig, bei der aktuellen Kinderarmut, der hohen Inflation und starken Belastungen der Weltkrisen, wie Corona, Krieg, Energiekrise und Klimawandel sogar essenziell (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2023; Die Bundesregierung, 2023). Hier könnten regelmäßige Veranstaltungen zum gemeinsamen Kochen angeboten werden. Dabei steht im Vordergrund kostengünstig gesund zu kochen, Spaß zu haben und ein Bewusstsein für Ernährung zu entwickeln, welches sich auch nachhaltig zu Hause umsetzen lässt. Dies könnte zusätzlich noch durch gemeinsames Eltern-Kind Kochen und Backen, Tisch decken und gemeinsam essen, gefördert werden. Damit hätten die Kinder und Jugendlichen einen Ort, an dem sie sich entspannen, unterhalten, essen, lernen, aktiv austoben können. Dies wäre eine sinnvolle aktive Freizeitgestaltung, welche für ihre Entwicklung förderlich wäre.
Stadtentwicklung und soziale Aspekte der Chill-Area:
Diese „Chill-Area“ sollte in Innenstadtlage sein. Die „Chill-Area“ fördert die Stadtentwicklung in Hinblick zum Freizeitaufenthaltsort, zum Erlebnis- und Verweilort, zudem würde unter diesem Konzept der Kinderarmut durch ein Essen, der Hausaufgaben- und Lernhilfe, sowie durch ein umfangreiches Freizeitangebot entgegengewirkt werden und zugleich der Bewegungsmangel aktiv mit Spaß angegangen werden. Dies würde direkt auch den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen präventiv erhalten und steigern. Gerade nach der Corona-Pandemiezeit wäre dies sehr notwendig, denn die Kinder und Jugendlichen haben in dieser Krisenzeit noch mehr unter Bewegungsmangel gelitten und es hatte psychische Belastungen für sie zur Folge (vgl. Die Bundesregierung, 2023). Dies müsste sowohl von Seiten der Schule als auch von der Stadtentwicklung mitberücksichtigt und die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen unbedingt bewegungsfreudiger gestaltet werden. „Bildung umfasst hier nicht nur kognitives Wissen, sondern auch soziales Lernen – Kompetenzen wie Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeit, Empathie und soziales Verantwortungsbewusstsein – sowie demokratisches Rüstzeug und bürgerschaftliche Kompetenzen – also Partizipation- und Mitbestimmungsfähigkeiten als mündige Bürgerinnen und Bürger“ (Hartmuß & Markus, 2006, S. 109).
Gesamtgesellschaftliche Entwicklungsplätze
Entspannungs- und Kreativplätze:
Zusätzlich könnte es in Innenstadtlage Grünflächen zum Entspannen geben und Plätze an denen sich aktiv ausgetobt werden kann. Kreativwerkstätte laden die Bevölkerung ein sich aktiv einzubringen und zu engagieren (vgl. Hamburg, 2013). Hier können kreative Ideen und Projekte für die Stadt entstehen, welche dann auch umgesetzt werden. So entwickelt die Bevölkerung für ihre Stadt und verändern ihre Stadt nach ihren Vorstellungen und Wünschen.
Der Aktionpark mit Indoor-Aktivitäten:
Sollte innerstädtisch eine größere Immobilie zur Verfügung stehen, könnte dort ein „Aktionpark“ entstehen. Die Fläche könnte unterteilt werden, so dass verschiedene Indoor-Angebote zu Sport, Kreativität, Kultur und Literatur umgesetzt werden könnten. Dabei sollten neueste Trendsportarten Einzug finden, aber ebenso kreative Künstlerwerkstätten und Philosophieabende, Literaturlesungen, Debatten stattfinden. Ein Club könnte entstehen, wo abends nach verschiedenen Themenabenden Musik und Tanz, sowie Konzerte angeboten werden können und ab dem späten Nachmittag bis abends für Kinder und Jugendliche geöffnet ist, so dass auch sie das Tanzangebot annehmen können. Dabei wäre auch ein Fitness-Tanzangebot zu erwähnen. Auch ein Kinderkino, ein Kindertheater oder Kindercafé wäre dabei zu bedenken. Der „Aktionpark“ wäre dann das pulsierende Herz der Bevölkerung und würde das Innenstadtleben enorm bereichern.
Der aktive, lebendige Gemeinschaftsplatz aller Bürger als Outdoor-Aktivität
In zentraler Innenstadtlage lädt der „aktive, lebendige Gemeinschaftsplatz alle Bürger“ über die vier Jahreszeiten ein, sich dort zu begegnen, und gemeinsam Zeit zu verbringen. Das Leben findet so vermehrt draußen an der frischen Luft statt und die Innenstadt wird zum geselligen Gemeinschaftsort. Dieser Platz sollte an einem Fluss, See oder Park angrenzen und eine schöne Wohlfühlatmosphäre aufweisen. „Wenn ein öffentlicher Raum in der Stadt belebt und attraktiv genug ist, zieht er automatisch weitere Menschen an; wenn er dagegen trist und leer ist, bleibt er es auch“ (Gehl, 2018, S. 37). Die Aktivitäten können auf einer Bühne, welche jederzeit flexibel umgestaltet werden kann, stattfinden. So können im Frühjahr und in den Sommermonaten ein Beachclub mit Tanz und Beachvolleyball dort entstehen. Dieser sollte tagsüber auch ein Kinder- und Jugendangebot anbieten, so dass die Kleinsten auch in Beachatmosphäre tanzen, singen und spielen können. Ein DJ leitet das Kinder- und Jugendprogramm. Aber auch Personen im Rentenalter sollten durch ein passendes Angebot in den Beachclub eingeladen werden, denn auch sie sollten unter dem Sternenhimmel tanzen können. An anderen Abenden könnte der Beachclub, durch wenige Veränderungen auch zu einem Open-Air-Kino umgewandelt werden, so dass in Beachatmosphäre unter freiem Himmel Filme genossen werden können. Märkte runden das vielfältige Angebot des Beachclubs ab. Hier können Schmuck oder Kleidung verkauft werden und Künstler bieten ihre Werke an. Es könnten auch internationale Wochen stattfinden, so dass dann Produkte aus den jeweiligen Ländern verkauft werden, dabei bietet zusätzlich die Gastronomie Getränke und Gerichte zum Beispiel aus Spanien an und es erklingen spanische Lieder zu denen getanzt werden kann. In Frühjahrs- und Herbsttagen könnte es auf dieser Bühne einen Rollschuhclub mit einem zusätzlichen Hockeyangebot geben. Im Winter wäre Schlittschuhlaufen mit integrierten Club, Curling, sowie Eishockey möglich. Die Angebote des „aktiven, lebendigen Gemeinschaftsplatzes“ sollte alle Altersgruppen, soziale und Bildungsschichten, Migrationshintergründe, Fluchthintergründe und Personen mit Beeinträchtigung ansprechen. Es ist ein Platz für die vielfältige Gesellschaft, auf dem alle aktiv, kreativ leben, lachen und gemeinsame Zeit verbringen. Dies verkörpert den Gedanken der lebendigen Stadt unter Einbezug der sozialen Nachhaltigkeit (vgl. Gehl, 2018, S. 130). „Wenn Städte funktional und lebenswert sein sollen, müssen Planungen nicht nur deren gebaute Strukturen, sondern auch sämtliche weniger offensichtlichen sozialen und kulturellen Facetten beachten, die für unsere Wahrnehmung von einzelnen Stadtvierteln und der gesamten Stadtgesellschaft von Bedeutung sind“ (Gehl, 2018, S. 130). So wird die Innenstadt zum zentralen gemeinsamen Treff- und Lebenspunkt. Die Stadt wird so ein Ort zum Entspannen, aktiv werden, kreativ werden, sich einbringen und engagieren. Die Bevölkerung als Teil der Stadt, da sie diese mit entwickelt und gestaltet und aktiv in ihr und mit ihr lebt. Dies fördert die Partizipation und Identifikation der Bevölkerung mit der Stadt, bereichert ihr Freizeitverhalten und sorgt für eine gesündere Work-Life-Balance. Auch der Zusammenhalt der Bevölkerung würde gestärkt werden und für ein harmonischeres Miteinander gesorgt werden.
Quellen
Bertelsmann Stiftung. (2023, Januar). Neue Zahlen zur Kinder- und Jugendarmut: Jetzt braucht es die Kindergrundsicherung. Verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2023/januar/neue-zahlen-zur-kinder-und-jugendarmut-jetzt-braucht-es-die-kindergrundsicherung
Bis es mir vom Leibe fällt e.V. (n.d.). Workshop. Verfügbar unter: https://bisesmirvomleibefaellt.com/veraendern-lernen/workshops/
Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Sozialer Zusammenhalt. (n.d.).
Verfügbar unter: https://www.staedtebaufoerderung.info/DE/Programme/SozialerZusammenhalt/
sozialerzusammenhalt_node.html;jsessionid=6527E02F2F381CDDBDEDE82650CE3C47.live11314
Die Bundesregierung. (2023, Februar). Belastungen durch Corona. Kinderarmut und Jugendliche im Blick. Verfügbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/corona-kinder-und-jugendliche-2163490
Frey, B. & Roters, A. (2006). Planen – Beteiligen – Gestalten. Kommunale Handlungsfelder beim Aufbau von Ganztagsschulen. In: S. Knauer & A. Durdel (Hrsg.), Die neue Ganztagsschule. Gute Lernbedingungen gestalten (S. 171-184). Weinheim & Basel: Beltz Verlag.
Gehl, J. (2018). Städte für Menschen. Berlin: Jovis.
Hamburg. (2013, Oktober). Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Hamburg gemeinsam gestalten. Bürgerbeteiligung und -information in der Stadtentwicklung. Verfügbar unter: https://www.hamburg.de/contentblob/4126596/bf525e93e4ff197547a5fd2962934777/data/broschuere-buergerbeteiligung.pdf
Hartmuß, B. & Markus S. (2006). Eigene Vorstellungen einbringen – Verantwortung übernehmen – Anerkennung erhalten. Ganztägig lernen als Chance für Partizipation und Engagementförderung junger Menschen. In: S. Knauer & A. Durdel (Hrsg), Die neue Ganztagsschule. Gute Lernbedingungen gestalten (S. 107-123). Weinheim & Basel: Beltz Verlag.
NEWS4TEACHER - Das Bildungsmagazin. (2023, Juni). Herr Bundeskanzler, die Bildungskrise gefährdet Deutschlands Zukunft – kümmern Sie sich darum. Verfügbar unter: https://www.news4teachers.de/2023/06/herr-bundeskanzler-die-bildungskrise-gefaehrdet-deutschlands-zukunft-kuemmern-sie-sich-darum/
OECD. (2023). PISA 2022 Country Notes. Verfügbar unter: https://www.oecd.org/media/oecdorg/satellitesites/berlincentre/pressethemen/GERMANY_Country-Note-PISA-2022_DEU.pdf
Seidel, T. & Krapp, A. (2014). Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union.
ZDFheute. (2022, Oktober). Körperliche Fitness. WHO: Deutschland bewegt sich zu wenig. Verfügbar unter: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/fitness-unfit-bewegung-deutschland-who-faul-100.html
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Das Grundgesetz ist für alle Menschen verfasst, gleich welcher Nationalität, Hautfarbe und Religion. Gerade nach dem Nationalsozialismus entstand in Deutschland etwas sehr Bedeutsames, was es zu beschützen und hochzuhalten gilt. Leider fehlt dies in den Geschichtsbüchern und der gesellschaftlichen Debatte. Dies haben wir unseren Großeltern und Eltern zu verdanken. Diese Werte sollten in Deutschland nicht verloren gehen und jeder sollte sich daran erinnern, danach mit vollem Stolz und Glück leben, es hochhalten und mahnen, was passiert, wenn diese verloren gehen. Diese Historie beweist auch, wie aus abscheulichen Menschenverbrechen etwas sehr Gutes und Wertvolles für alle Völker und die Welt im Nachhinein entstehen kann. Auch hier stellt sich die Frage, wie die jüdische und polnischen Opfer in Deutschland mit ihren Tätern gemeinsam Deutschland wieder aufbauen konnten und das Land als ihre Heimat betrachten konnten. Wie war es möglich wieder Vertrauen zu der deutschen Bevölkerung und der Regierung zu fassen? Eigentlich sollte es nicht nur ein mahnendes Beispiel an die Welt sein, wenn an den Holocaust erinnert wird, sondern auch wie die Menschen mit Hilfe der anderen Länderregierungen es gemeinsam geschafft haben, ein Land mit diesem Grundgesetz und der Menschenrechte aufzubauen. Dies ist das Werk Europas und der USA und sollte als Fundament der Menschlichkeit und des gesellschaftlichen Zusammenlebens überall erklingen. Leider werden diese positiven Entwicklungen der Regierungen, Deutschlands und der Menschen kaum benannt. Im Vordergrund stehen die abscheulichen Menschenverbrechen und aus diesem Grund möchten einige nicht gerne über diese Zeit sprechen. Aber liegt nicht hier genau das Gute Deutschlands und der gesamten Bevölkerung? Ist es nicht so, dass gerade das Grundgesetz die deutsche Identität bildet und vor allem auszeichnet? Nur im Hinschauen und gemeinsamen Gespräch kann diese Identität Deutschlands aufgebaut werden, wie das Land nach dem zweiten Weltkrieg. Finden Sie nicht, dass es sich lohnt – genau hinzuschauen, was Deutschland auszeichnet und was die Identität der deutschen Gesellschaft ist? Das „böse Deutschland“, wie manche es nennen, wurde abgelöst durch das Grundgesetz voller Würde, Gleichheit, Freiheit und Frieden (vgl. Jung, 2023).
Grundgesetz und Arbeitsmigration
Die Zerstörung Deutschlands durch den zweiten Weltkrieg und der damit verbundene Wiederaufbau des Landes sorgte für die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Im Nachhinein sorgte so der Nationalsozialismus dafür, dass Personen mit Migrationshintergrund heute in Deutschland leben, da sie als angeworbene Fachkräfte mit ihren Familien in Deutschland geblieben sind, sich ein Leben aufgebaut haben und nun schon in der dritten und vierten Generation hier leben und dies ihre neue Heimat geworden ist (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2022). So haben viele von ihnen heute zwei Heimaten – ihr Herkunftsland und Deutschland. Mit der Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit aus dem Jahr 2024 wird dem Rechnung getragen und die Integration befördert (vgl. Jura Forum). Den angeworbenen Arbeitskräften nach dem zweiten Weltkrieg gebührt Dank und Anerkennung für die Hilfe, Unterstützung und ihre Arbeitskraft, um das Land gemeinsam wieder aufzubauen. Interessant hierbei ist, dass die damalig angeworbenen Arbeitskräfte in ein Land zogen, dass von Nationalsozialisten geprägt war, welche Menschen aufgrund ihrer Herkunft in hoher Anzahl ermordet hatten. Trotzdem waren sie nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundgesetz und als geführte Demokratie bereit in dieses Land zu reisen. Einige von ihnen lebten sogar bei den Familien und somit auch bei Nationalsozialisten. Aus dieser Zeit ist sehr viel Gutes entstanden und über Jahrzehnte erwachsen. Der fremde Mensch aus dem Ausland als Arbeitskraft im Haus der Nationalsozialisten, wie wohl das Zusammenleben war? Wie waren die Begegnungen? Leider gibt es hierzu keine Zeitzeugenberichte. Dies wäre gerade für uns nachfolgende Generationen so wertvoll und für die gesamte deutsche Bevölkerung und die Welt. Denn hieraus könnte gelernt werden, wie Rechtsradikale mit Personen anderer Herkunft zusammenleben, arbeiten und Neues erschaffen können. Wie haben es Nationalsozialisten und Menschen, welche gerade aus dem Ausland in diese Zeit nach Deutschland einreisten, um hier zu arbeiten und zu leben, es gemeinsam geschafft, Deutschland aufzubauen? Wie konnte dies unter der Konstellation so erfolgreich gelingen? Leider beschäftigt sich die Wissenschaft nicht mit dieser Thematik. Die angeworbenen Arbeitskräfte waren allein in dem neuen Land ohne Familie und Freunde. Sie waren umgeben von noch einer eben geführten nationalsozialistischen Gesellschaft. Doch alle arbeiteten, lebten zusammen und ließen Deutschland als das Land, welches wir heute kennen, erwachsen. Dafür gebührt der damaligen Gesellschaft sehr viel Dank. Angereist sind Arbeitskräfte, welche zum großen Teil wieder zurück in ihre Heimatländer zurückreisten, aber die Menschen, welche geblieben sind, wurden Bürger dieses Landes und Freunde oder sogar Familie (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung-Gastarbeiter). Leider werden sie bis heute als Fremde gesehen oder benannt und die Anerkennung als gleichwertiger deutscher Bürger mit dem Dank des Wiederaufbaus und der bewussten Entscheidung in diesem Land zu leben, zu arbeiten und eine Familie zu gründen, fehlt. Gerade heute scheint es, als ob alle Werte und was uns verbunden hat, verloren geht. Alles was unsere Großeltern oder Eltern aufgebaut haben, scheint zu zerbrechen.
Seit dem Nationalsozialismus ist Deutschland auf Mitarbeiter aus dem Ausland angewiesen, auch heute werden wieder Anwerberverträge mit Ländern geschlossen. Durch den Nationalsozialismus und die Folgen des zweiten Weltkrieges wurde Deutschland ein Zuwanderungsland und ist heute ein Einwanderungsland, auch wenn es sich schwer damit tut dies anzuerkennen (vgl. Dahmer, 2023). Diesbezüglich ist es wichtig ein Integratives Konzept von Seiten der Politik zu verfolgen und kein assimilatives Modell. Dies müsste von Seiten der Politik für Deutschland noch in Anlehnung an zum Beispiel Kanada als Einwanderungsland geändert werden (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 859ff; Clement-Fachkräftemangel, 2023). Gerade heute stellt sich leider die Frage des Zusammenlebens, wegen dem gegenwärtigen Rechtsruck in der Politik und in der Gesellschaft. Warum haben wir heute Probleme damit? Wir leben seit unserer Geburt alle zusammen und kennen es nicht anders. Unsere Großeltern und Eltern kamen ganz allein nach Deutschland und lebten in einer nationalsozialistisch geprägten Gesellschaft, welche vorher nicht in dieser Form mit Personen mit Migrationshintergrund zusammengelebt haben. Sie alle haben es zusammen geschafft, und die Werte des Grundgesetzes in die Gesellschaft einkehren lassen und danach gelebt. Ihre Umstände waren schwierig und massiv rechtsradikal. Warum schaffen wir es heute nicht und wenden uns voneinander ab und zerstören damit alles was sie aufgebaut haben, nämlich ein gemeinsames Leben in Würde, Respekt, Gleichheit, Frieden und Freiheit. Warum geben wir diese Werte auf oder wenden uns von ihnen ab? Warum bleiben wir nicht einen Moment stehen, erinnern uns und lernen von unseren Vorfahren und fangen wieder an gemeinsam nach diesen Werten zu leben. Warum konnten sie es und wir nicht?
Die Bedeutung der Frau nach dem zweiten Weltkrieg
Auch die Rolle der Frau steht bei diesem Thema im Vordergrund, denn auch hier fehlt der Dank an die Leistungen der „Trümmerfrauen“ aus dem zweiten Weltkrieg. Eigentlich ist der Begriff sehr diskriminierend – besser wäre „Landsaufbaufrauen“. Leider fallen wir auch bei Themen zur Gleichberechtigung von Frauen und dem Sexismus gerade zurück. Sollten wir nicht auch hier die Rolle der Frau hervorheben, ihre Leistungen benennen und mit Dank versehen und uns daran orientieren und die Bedeutung der Frau in der Gesellschaft und als Arbeitskraft wertschätzen. Schließlich waren sie der Halt und die Stütze für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Sind sie das nicht auch bis heute – und nicht nur für Deutschland, sondern für jedes Land auf dieser Welt?
Die Bedeutung des Grundgesetzes für unsere aktuelle Gesellschaft
Vielleicht ist gerade jetzt die Zeit sich der Thematik aus der Vergangenheit genauer zu stellen. Die Schamgefühle, Schuldgefühle und die Traumatisierung sollte dabei kein Hindernis sein. Denn genau hier liegt das Heilende für die Gesellschaft verborgen und dies gilt es hervorzuholen. Genau dies braucht die deutsche Gesellschaft und die Welt mehr denn je. Was sind die deutschen Werte? Was ist die deutsche Identität? Nach welchem Gesellschaftsvertrag wollen wir zusammenleben? Durch unser historisches Erbe sind wir der Welt gegenüber verpflichtet dies für unsere Gesellschaft, unserem Land, der EU und auch der Welt zu klären und wieder zurück zu unseren Menschenrechten zu finden, welche uns auszeichnen. Dieser historische Rückblick, die Bewusstmachung unserer Werte und des Grundgesetzes sollte uns helfen geschlossen als Gesellschaft die Krisen anzugehen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Dann werden wir auch der menschlichen, sozialen, psychologischen, wirtschaftlichen Meisterleistung unserer Großeltern und Eltern gerecht – für die es nur Anerkennung und Wertschätzung geben kann. Mein Dank gebührt den Opfern, den deutschen aus der damaligen Zeit, den Nationalsozialisten und allen angeworbenen Arbeitskräften aus dem Ausland. Vielen Dank, dass sie ein gemeinsames Leben erschaffen haben und dieses Land aufgebaut haben. Bitte lasst es uns gemeinsam weiter aufbauen, aus den Krisen holen und lasst es uns erblühen lassen, damit wir als geschlossene Gesellschaft ein Leben voller Gesundheit, Würde, Gleichheit, Frieden und Freiheit leben können.
Lasst uns wieder eine geschlossene Gesellschaft voller Zuneigung und Vertrauen füreinander sein. Denn nur auf so einem Boden kann etwas erwachsen und erblühen. Die Menschenrechte stehen im Vordergrund und damit der Mensch. Lebt das gemeinsame Zusammenleben voller wertvoller und wunderschöner Momente, denn das zeichnet ein vereintes Deutschland aus.
Nach 75. Jahren des Grundgesetzes und 300 Jahre Kant sollte der deutsche Bürger mehr denn je ein mündiger Mensch sein, der seine Vernunft gebraucht, kritisch hinterfragt und die Sachlage einordnet, moralisch handelt, und zwar nach dem kategorischen Imperativ und dabei noch sein Herz befragt und sich davon leiten lässt (vgl. Bundesinstitut für Kultur und Geschichte des östlichen Europa; Bundesministerium für Arbeit und Soziales).
WIR ALLE SIND BÜRGER DEUTSCHLANDS UND DAS ZEICHNET UNS AUS!
Quellen
Bundesinstitut für Kultur und Geschichte des östlichen Europa (BKGE). Kantjubiläum 2024: Geförderte Projekte. Verfügbar unter: https://www.bkge.de/projekte/immanuel-kant-1724-2024-300-jahre
Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 75 Jahre Grundgesetz – Ein Fest für die Demokratie. Verfügbar unter: https://www.bmas.de/DE/Ministerium/Veranstaltungen/75-jahre-grundgesetz.html
Bundeszentrale für politische Bildung. (2022). Soziale Situation in Deutschland. Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61646/bevoelkerung-mit-migrationshintergrund/
Dahmer, L. (2020, August 28). Seelische Gesundheit. Rassismus ist bis heute ein blinder Fleck in der Psychotherapie. Verfügbar unter: https://www.zeit.de/zett/2020-08/rassismus-ist-bis-heute-ein-blinder-fleck-in-der-psychotherapie?utm_referrer=https%3A%2F%2Fa-jour-asp.ch%2F
Jung, R. (2023). Polens Regierung im Wahlkampf. Feindbild Deutschland. Verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/pis-feindbild-deutschland-100.html
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Seit der Flüchtlingswelle 2015 gibt es eine Vermischung der Begriffe zu Migration und Flucht in der deutschen Gesellschaft, den Medien und der Politik (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2015). Dabei bedeuten die Begriffe Migration und Flucht nicht dasselbe und sind damit auch nicht gleichzusetzen. Auf die Unterscheidung der Begriffe sollte geachtet werden, da sonst Personen mit Migrationshintergrund gleichgesetzt werden mit Personen mit Fluchthintergrund. Wandern Migranten freiwillig aus, besitzen sie mehr Kontrolle und Handlungsfreiheit über das Geschehen. Flüchtlinge hingegen handeln aus Zwang und besitzen weniger Handlungsfreiheit (vgl. Schönpflug, 2003, S. 515). Personen die freiwillig migrieren, planen ihren Aufenthaltsortwechsel und freuen sich in den meisten Fällen, z.B. auf den neuen Beruf, den Studienplatz oder die Familienzusammenführung. Die Migration stellt somit ein positives geplantes Ereignis da. „Das Völkerrecht zieht eine klare Trennlinie zwischen Migranten und Flüchtlingen. Migrantinnen und Migranten fallen nicht unter das internationale Flüchtlingsschutzsystem“ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Die Definition des Migrationshintergrundes gestaltet die Vergleichbarkeit von Schulstatistik, PISA und Wissenschaft schwierig. Aus diesem Grund ist die klare und einheitliche Definition von besonderer Bedeutung.
Im Folgenden werden alle Definitionen nach Migration und Flucht aufgezeigt:
Migration | Flucht |
Definition | Definition |
Einen Migrationshintergrund weisen Personen auf, die im Ausland geboren wurden oder ihre Eltern. Wenn sie und ihre Eltern nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, gelten sie ebenfalls als Personen mit Migrationshintergrund (vgl. Statistisches Bundesamt; OECD). | „Laut Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die ‚aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will‘“ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). |
Generationen: | Generationen: |
Zu Personen mit Migrationshintergrund zählen: - die Zuwanderer aus den EU-Staaten (vgl. Stanat & Edele, 2011, S. 183).
| Zu Personen mit Fluchthintergrund zählen:
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Gründe für die Migration: Gerade wenn es um ein Studium oder eine berufliche Migration geht, bleiben Personen mit Migrationshintergrund eine gewisse Zeit an dem neuen Ort. Andere migrieren, um für immer in Deutschland zu leben, dies ist besonders aus familiären Gründen der Fall (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 859f; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
| Gründe für die Flucht:
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Somit bilden Schüler.innen mit Migrationshintergrund eine heterogene Gruppe (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Da die eingewanderten Familien aus unterschiedlichen Kulturen stammen und aus unterschiedlichen Gründen ihr Heimatland verlassen haben. Hier treffen Kinder von kurzfristigen, oder langfristigen Arbeitsmigranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern aufeinander (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Dies gestaltet die Forschung in diesem Themenbereich schwierig (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Arbeitsmigranten stammten früher eher aus ländlichen Bezirken und haben eher einen niedrigen Bildungsstatus. (Spät-) Aussiedler besitzen eher einen besseren Bildungsstatus (vgl. Rodriguez & Dohmen, 2010, S. 303). Je höher das Bildungsniveau bei der Einreise ist, umso schneller verläuft die Eingliederung (vgl. Nauck, 1994, S. 122). Auch der Zeitpunkt der Arbeitsmigration hängt von dem Bildungsniveau ab. Arbeitsmigranten, welche eine höhere Bildung besitzen, wandern im jüngeren Alter aus (vgl. Nauck, 1994, S. 123). Sowohl für die ältere Generation mit und ohne Migrationshintergrund kann festgehalten werden, dass diese eine geringe Bildung aufweisen als jüngere Generationen und die Frauen der älteren Generation weniger Bildung aufweisen als die Männer (vgl. Schönpflug & Phalet, 2008, S. 32-33). Kinder mit Migrationshintergrund weisen bessere schulische Leistungen auf, umso jünger sie waren als sie eingewandert sind und somit in das deutsche Bildungssystem eingetreten sind. Kinder mit Migrationshintergrund, welche in Deutschland geboren sind, erreichen höherwertige Schulabschlüsse (vgl. Diefenbach, 2010, S. 229).
„Familien mit männlichen Pionierwandern stellen mit 76,4 % den Haupttyp da, wohingegen Familien mit weiblichen Pionierwanderern (13,1%) ebenso selten sind, wie die gemeinsame Wanderung (10,4%)“ (Nauck, 1994, S. 124).
Auch bei den Schüler.innen mit Fluchthintergrund ist diese heterogene Gruppe zu benennen, wobei hier noch gravierendere Unterschiede in den Fluchtgründe aufzuzeigen sind.
Quellen
Bücher und Zeitschriften
Berger P.A. & Kahlert H. (2005). Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert. Weinheim: Juventa Verlag.
Diefenbach H. (2010). Bildungschancen und Bildungs(miss)erfolg von ausländischen Schülern oder Schülern aus Migrantenfamilien im System schulischer Bildung. In R. Becker (Hrsg.), Bildung als Privileg (S. 221-245). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Hunger U. & Thränhardt D. (2006). Der Bildungserfolg von Einwandererkindern in den westdeutschen Bundesländern. Diskrepanzen zwischen der PISA-Studie und den amtlichen Schulstatistiken. In G. Auernheimer (Hrsg.), Schieflagen im Bildungssystem – Die Benachteiligung der Migrantenkinder (S. 51-70). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Nauck B. (1994). Bildungsverhalten in Migrantenfamilien. In P. Bücher, M. Grundmann & J. Huinink (Hrsg.), Kindliche Lebenswelten, Bildung und innerfamiliale Beziehungen (S. 105-141). München: DJI Verlag Deutsches Jugendinstitut.
Oerter, R. & Montada, L. (2008). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz, Psychologie-verl.Union.
Schönpflug U. (2003). Migration aus kulturvergleichender psychologischer Perspektive. In A. Thomas (Hrsg.), Kulturvergleichende Psychologie (S. 515-543). Göttingen: Hogrefe-Verlag.
Schönpflug U. & Phalet K. (2008). Migration und Akkulturation. In N. Birbaumer, D. Frey, J. Kuhl, W. Schneider & R. Schwarzer (Eds.), Enzoklyopädie der Psychologie (Vol. VII: Kulturvergleichende Psychologie). Göttingen: Hogrefe.
Stanat P. & Edele A. (2011). Migration und soziale Ungleichheit. In H. Reinders (Hrsg.), Empirische Bildungsforschung (S. 181-192). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Internetseiten
Bundeszentrale für politische Bildung. (2022). Soziale Situation in Deutschland. Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61646/bevoelkerung-mit-migrationshintergrund/
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Flucht und Migration. Grundlagen und Begriffe. Verfügbar unter: https://www.bmz.de/de/themen/flucht/fachbegriffe#lexicon=21868
OECD. (2016). Migrationshintergrund. Schülerleistungen und Einstellungen gegenüber Naturwissenschaften. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1787/9789264267879-11-de
Stanat P., Rauch D., Segeritz M. (2010). Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Verfügbar unter: http://www.PISA_2009_Bilanz_nach_einem_Jahrzehnt.pdf
Statistisches Bundesamt. Migration und Integration. Migrationshintergrund. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Glossar/migrationshintergrund.html
Welthungerhilfe. Flucht und Migration. Verfügbar unter: https://www.welthungerhilfe.de/informieren/themen/flucht-und-migration
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Akkulurationseinstellungen
Bei der Akkulturation kommt es zu Anpassungsprozessen und Veränderungen, welche durch den Kontakt von Personen unterschiedlicher Kulturen eingeleitet werden. Dabei richten sich diese Personen unterschiedlicher Kulturen nach ihrer Herkunftskultur oder der Aufnahmekultur. Die Herkunftskultur bezeichnet die eigene Kultur und die Aufnahmekultur steht für die fremde neue Kultur, in welche migriert oder geflüchtet wurde. Wie lange die migrierte oder geflüchtete Person sich an dem neuen Ort aufhält, beeinflusst die Akkulturation. Ist die Person nur kurzzeitig, wegen eines Praktikums im Land, oder für mehrere Jahre aus beruflichen Gründen oder baut sich diese Person ein neues Leben in dem Aufnahmeland auf und möchte für immer bleiben (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 859ff).
Fragen:
- Welche Akkulturationseinstellungen gibt es?
- Welche Akkulturationseinstellung gefällt euch am besten und warum?
- Welche lehnt ihr komplett ab und warum?
- Für die Gesellschaft ist welche Integrationsform am besten und effektivsten?
- Was kann die Gesellschaft für eine gelungene Integration tun und was sollte der Staat unternehmen?
- Zu welcher Akkulturationseinstellung passt die doppelte Staatsangehörigkeit?
Um die Akkulturationseinstellungen aufzuzeigen, bietet sich das Zweidimensionale Modell von John W. Berry 1997 an. Das Modell richtet sich nach der Frage, ob das Individuum oder die Gruppe die eigene Herkunftskultur behalten möchte oder sich an der Kultur der mehrheitlichen Aufnahmekultur orientiert. Nach Berry ist die Akkulturation in vier Strategien gegliedert: Integration, Assimilation, Separation, Marginalisierung. Diese Strategien wählt das Individuum oder die Gruppe danach aus, wie die Beziehung zur Aufnahmegesellschaft ist und wie sehr sie ihre eigene Kultur beibehalten möchten. Besteht eine gute Beziehung zwischen der migrierten oder geflüchteten Person und der Aufnahmegesellschaft findet die Integration oder Assimilation statt (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860ff).
Integration
Bei der Integration behält das Individuum oder die Gruppe ihre eigene Herkunftskultur, aber nimmt auch die neue Kultur der Aufnahmegesellschaft an. Es werden diese beiden Kulturen in dem Individuum und der Gesellschaft vereint und somit entsteht eine Bikulturalität oder auch Multikulturalität. Dies ist nur möglich, wenn die Aufnahmegesellschaft eine Integrationsbereitschaft selbst aufweist und bei der migrierten Person oder Gruppe zulässt. Dies wird durch einen interkulturellen Kontakt ermöglicht, welcher Denk- und Verhaltensweisen verändert (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f). An dem Anpassungsprozess arbeitet sowohl die migrierte oder geflüchtete Person als auch die Aufnahmegesellschaft, oder anders formuliert die Minderheitsgesellschaft und die Mehrheitsgesellschaft (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f). Die doppelte Staatsangehörigkeit ist ein Zeichen für Integration, da die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes angenommen werden kann und die Staatsangehörigkeit des eigenen Herkunftslandes, oder das der Eltern oder Großeltern, beibehalten werden kann. Dies fördert auch die Integration, Zugehörigkeit und Partizipation mit dem Aufnahmeland (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f).
Assimilation
Bei der Assimilation wird die eigenkulturelle Identität aufgegeben oder sogar abgelehnt. Die Sprache, Denk- und Verhaltensmuster der neuen Aufnahmegesellschaft werden übernommen. Dies stellt einen einseitigen Anpassungsprozess der Minderheitsgesellschaft an die Aufnahmegesellschaft da, welche zugleich die Mehrheitsgesellschaft ist (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f).
Separation
Behalten Personen ihre eigene Herkunftskultur und lehnen die neue Kultur der Aufnahmegesellschaft ab, dann wird von Separation gesprochen. Hierbei findet kein Kontakt mit der Aufnahmegesellschaft und somit mit der Aufnahmekultur statt (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f).
Marginalisierung
Wie bei der Separation stehen die migrierten Personen bei der Marginalisierung der Aufnahmekultur ablehnend gegenüber, allerdings brechen sie ihre eigene Herkunftskultur auf, so dass eine kulturelle Orientierungslosigkeit entstehen kann, was eine Abgrenzung und Isolation verursachen kann. Dies kann aber auch positive Effekte haben, indem alte Normen hinterfragt werden und neue ethische Grundlagen geschaffen werden (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f).
Für die Entwicklung und das Wohlergehen ist die beste Akkulturationsstrategie die Integration. Bei dem Interactive Acculturation Model von Bourhis et al. 1997 wird deutlich, dass die Separation als Akkulturationsstrategie die meisten Konflikte mit sich bringt (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 860f).
Die Akkulturationseinstellungen für Personen mit Migrations- und Fluchthintergrund unterscheiden sich in der Auswahlmöglichkeit, aufgrund der Belastung und des Traumas, welches die Flucht mit sich bringt und die Belastung, der Stress und die Freude der Migration (vgl. Welthungerhilfe; Oerter & Montada, 2008, S. 860ff). Aber auch die Akkulturationseinstellungen der Aufnahmegesellschaft, sowie die Willkommenskultur beeinflussen die Akkulturationseinstellungen der migrierten oder geflüchteten Person, ihre Identität und ihr Selbstwertgefühl. Integration bedeutet somit ein Zusammenarbeiten von Seiten der Minderheitsgesellschaft, aber auch der Mehrheitsgesellschaft. Wobei die Mehrheitsgesellschaft erst das Fundament für diese Zusammenarbeit der Integration legen muss, dann müssen die migrierten oder geflüchteten Personen ihren Teil auf dem Fundament bauen und so bauen ab da an alle gemeinsam das Haus der Integration und der vielfältigen Gesellschaft, indem alle einen Platz haben. Neben der gemeinsamen Zusammenarbeit an der Integration, gehört auch der gegenseitige Respekt und die gegenseitige Wertschätzung (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 859ff).
Auf die Akkulturationseinstellungen der Mehrheitsgesellschaft hat die staatliche Integrationspolitik einen großen Einfluss. Während in Kanada, welches als Einwanderungsland gilt, pluralistische Vorstellungen zur Integration und somit der Bikulturalismus gesetzlich verankert sind, setzen andere Länder auf ethische Akkulturationseinstellungen und somit auf assimilative Modelle. Hier „… erfolgt die Einbürgerung bevorzugt oder ausschließlich nach Merkmalen ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Beispiele sind Länder wie Deutschland, Israel oder Japan“ (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 861; Clement-Fachkräftemangel, 2023).
Da Deutschland gerade an einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz arbeitet, wie es in Kanada umgesetzt wird, bleibt hier die Frage noch offen, ob diesbezüglich auch an einer pluralistischen Vorstellung zur Integration gearbeitet wird und somit der Bikulturalismus in unsere Gesetze fest verankert wird. Denn dies ist die Basis für das vorbildliche Gelingen Kanadas bei der Einwanderungspolitik (vgl. Oerter & Montada, 2008, S. 861; Clement-Fachkräftemangel, 2023). Durch die doppelte Staatsbürgerschaft wurde hier der erste Schritt in diese Richtung gesetzt. Werden weitere Schritte folgen?
Wahrnehmungsdiskrepanzen zwischen der Aufnahmegesellschaft und Personen mit Migrationshintergrund
In einer Studie von Van Oudenhoven, Prins und Buunk (1998) wurden 94 marokkanische und 203 türkische Personen, sowie 1844 holländische Mitbürger zu den vier Akkulturationsstrategien befragt (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 995). Die Personen mit marokkanischem und türkischem Migrationshintergrund sind mit über drei Prozent von der holländischen Bevölkerung, die größte Gruppe von Personen mit Migrationshintergrund in Holland (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 996).
Interessant ist, dass 36 % der marokkanischen Männer und 53 % der Frauen in einem Arbeitsverhältnis stehen. Bei den türkischen Männern waren 42 % und 38 % der Frauen in einem Arbeitsverhältnis (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 999). Bei den einheimischen Holländern standen 60 % der Männer und 37 % der Frauen in einem Arbeitsverhältnis (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1006).
Es kann festgehalten werden, dass sowohl Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund den Kontakt zu der Aufnahmegesellschaft als wichtig erachten und sich wünschen. Wichtig ist ihnen auch ihre eigene Kultur beizubehalten. Aber der Wunsch nach Kontakt zu der holländischen Bevölkerung ist stärker. Daraus kann geschlossen werden, dass sowohl Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund die Anpassungsstrategie der Integration bevorzugen (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1001-1002).
Die holländische Bevölkerung bevorzugt die Assimilation als Anpassungsstrategie und als zweites die Integration. Jedoch glauben sie, dass Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund eher die Separation favorisieren und der Assimilation völlig abgeneigt sind. Dieses Ergebnis ist ein Beweis, dass gegen die Outgroup Vorurteile gehegt werden (vgl. Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1006-1007). Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund, welche an ihrer Herkunftskultur festhalten und keinen Kontakt zu der holländischen Bevölkerung haben wollen, werden als bedrohlich angesehen. Dieses negative Gefühl wird gemindert, wenn Personen mit Migrationshintergrund nach Kontakt mit der Mehrheitsgruppe streben (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1009). Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund in Holland haben eine deutliche Vorliebe für die Integration. Somit ist es ihnen wichtig Kontakt zu der holländischen Bevölkerung aufzunehmen, aber auch ihre Herkunftskultur beizubehalten.
Auch Berry (1989) kam bei einer Studie in Kanada zu diesem Ergebnis (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1009). Hier wird das Problem der Wahrnehmung und der Vorurteile deutlich. Denn beide Gruppen wünschen sich die Integration. Diese Diskrepanz von Wahrnehmung zwischen Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund auf der einen Seite und der einheimischen Bevölkerung auf der anderen, stellt ein soziales Problem dar (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1011).
Aus diesem Grund sollte eine ausgeglichene Medien-Berichterstattung angestrebt werden, welche darstellt, wie die Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund zu ihrer Beziehung zu der holländischen Bevölkerung stehen. So dass die holländische Bevölkerung erfährt, dass ihre Wahrnehmung sie täuscht. Auch Schulen, Nachbarschaft und Sportvereine sollten dieses Wissen weitervermitteln. Zudem sollte der Kontakt von beiden Seiten gestärkt werden (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1011).
Diese Studie hat auch gezeigt, dass das Vorurteil, dass bei Personen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund nur der Mann arbeitet und die Frau nur zu Hause ist, kocht, putzt, die Kinder erzieht und so gut wie nie das Haus verlässt, falsch ist. Die Prozentzahlen zeigen deutlich, dass sowohl die Männer als auch die Frauen arbeiten. Bei den Personen mit türkischem Migrationshintergrund ist es eine geringe Differenz von 4 % zugunsten der Männer. Aber bei den Personen mit marokkanischem Migrationshintergrund eine Differenz von 17 % zugunsten der Frauen (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 999). Bei der einheimischen holländischen Bevölkerung hingegen arbeiten mehr Männer als Frauen. Hier liegt die Differenz bei 23 % zugunsten der Männer (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1006).
„Wenn eine Gesellschaft auf Homogenität besteht, beraubt sie sich der Möglichkeit alternativer adaptiver Lebensformen“ (Schönpflug & Phalet, 2008, S. 43). Gerade in Zeiten der Globalisierung ist es wichtig multikulturelle Gesellschaftsstrukturen zu schaffen. Die Schule ist ein wichtiger Ort für die Akkulturation. Aus diesem Grund sollte mehr individuelle Förderung in den Unterrichtseinheiten stattfinden. Dies würde bedeuten, dass die Lehrkräfte geschult werden müssten.
Für Personen mit Migrationshintergrund ist es sehr wichtig, dass sie ihre Herkunftskultur behalten dürfen, denn es ist ein Teil ihrer Identität und somit ein Teil ihrer Persönlichkeit. Wenn sie ihre Herkunftskultur aufgeben, geben sie auch einen Teil von sich selbst auf. Die Studie in Holland von Van Oudenhoven, Prins & Buunk (1998) hat gezeigt, dass Personen mit Migrationshintergrund die Integration als Akkulturationsstrategie bevorzugen und die Aufnahmegesellschaft diese immerhin an zweiter Stelle favorisiert. Außerdem wünschen sich Personen mit Migrationshintergrund Kontakt zu der Aufnahmegesellschaft und diese möchte, dass Personen mit Migrationshintergrund Kontakt zu ihnen aufnehmen (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 1011). Somit wünschen sich beide Parteien dasselbe. Sie sind sich ähnlicher als sie denken. Nur das Problem ist, dass sie das nicht wissen. Leider nehmen sie genau das Gegenteil wahr. Diese Studie hat auch gezeigt, dass das Vorurteil, dass Frauen aus türkischen oder marokkanischen Familien nicht berufstätig sind, falsch ist (vgl. Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998, S. 999). Das Problem ist, dass aufgrund der Beeinflussung durch Vorurteile nicht immer der eigenen Wahrnehmung getraut werden kann, denn diese ist vielleicht schon von einer subjektiven Meinung über ethnische Minderheitengruppe verschwommen.
Türkische und marokkanische Eltern werden oft mit dem Vorurteil in Verbindung gebracht, dass sie sich nicht für die Schulleistungen ihrer Kinder interessieren. Als Beweis, dass dies kein Vorurteil ist, sondern eine realistische Tatsache, wird oft erwähnt, dass die Eltern nicht zu den Elternabenden gehen und nicht bereit sind für Gespräche mit den Lehrkräften. Doch ist trotz dieses Arguments dies nur ein Vorurteil, denn der Grund warum die Eltern mit Migrationshintergrund nicht zu den Elternabenden gehen, ist das Sprachdefizit und die Unwissenheit über das Bildungssystem in Deutschland. Diese Eltern sind mit der Situation überfordert. Die Einladung zu einem Elternabend ist eine große Stresssituation für die Eltern. Denn schon allein, wenn sie die schriftliche Einladung in der Hand halten, erweckt dies Angstgefühle in ihnen. Aus Schamgefühl und aus der Angst bloß gestellt zu werden, erscheinen die Eltern nicht zu den Elternabenden und Lehrergesprächen, sondern flüchten. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass sie sich nicht für die Schulleistungen ihrer Kinder interessieren. Natürlich gibt es auch solche Eltern, aber die gibt es in jeder Kultur und in jedem Land. Nicht nur Personen mit Migrationshintergrund müssen einen Akkulturationsprozess durchlaufen, sondern auch die Aufnahmegesellschaft. Denn die interkulturelle Kompetenz der Aufnahmegesellschaft müsste gestärkt werden, so dass sie kulturelle Unterschiede als solche wahrnehmen können und diese nicht verurteilen. Ihr Einfühlungsvermögen für die Situationen von Personen mit Migrationshintergrund müsste verbessert werden. Dasselbe gilt für Personen mit Migrationshintergrund gegenüber der Aufnahmegesellschaft.
Doch leider erreichen weder die Bildungsberichte noch die Studien von Van Oudenhoven die breite Masse, die diese Vorurteile vertreten. Es wäre wichtig solche empirischen Ergebnisse publik zu machen, und zwar durch Instrumente, welche die breite Masse erreicht. Denn dies würde nicht nur unberechtigte Vorurteile aus der Welt schaffen, sondern die Beziehung der Aufnahmegesellschaft zu ethnischen Minderheiten fördern. Es sollte noch mehr Forschung und Aufklärung in diesem Bereich geben. Ganz besonders sollte dies in den Schulen geschehen.
Quellen
Oerter, R. & Montada, L. (2008). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz, Psychologie-verl.Union.
Schönpflug U. & Phalet K. (2008). Migration und Akkulturation. In N. Birbaumer, D. Frey, J. Kuhl, W.
Schneider & R. Schwarzer (Eds.), Enzoklyopädie der Psychologie (Vol. VII: Kulturvergleichende Psychologie). Göttingen: Hogrefe.
Van Oudenhoven, J. P., Prins, K. S., Buunk, B. P. (1998). Attitudes of minority and majority members towards adaptation of immigrants. European Journal of Social Psychology, 28, 995-1013.
Welthungerhilfe. Flucht und Migration. Verfügbar unter: https://www.welthungerhilfe.de/informieren/themen/flucht-und-migration
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Unterrichtsbeispiel Erziehungswissenschaft
zur interkulturellen Kompetenz
Interkulturelle Kompetenz und globales Denken sind die zu erlernenden Kompetenzen in einer globalisierten Welt. Dieser Beitrag zeigt die Vermittlung dieser Kompetenzen auf.
Als Einstieg sollten Sie eine Kontinent Karte, mit den jeweiligen Ländern, an die Teilnehmenden verteilen. In den Gruppen: Afrika, Amerika, Asien, Europa, Ozeanien sollen sie in den Kontinent auf der Karte Vorurteile und Stereotype eintragen, welche ihnen spontan zu diesen Ländern einfallen. Diese stellen sie sich dann gegenseitig vor. Dabei wird ihre Kontinent Karte an der Tafel befestigt, so dass alle diese einsehen können. Falls nötig, können sie sich vor die Tafel stellen, um die Eintragungen besser erkennen zu können. Dies ist eine sehr lustige Aufgabe – es wird viel gelacht. Dabei sollte über die Wirkung von Vorurteilen und Stereotypen in der Gemeinschaft gesprochen werden und wie diese abgebaut werden können. Was sind Klischees, Vorurteile, Stereotype und was sind wahre kulturbedingte Verhaltensweisen? Wie unterscheiden sich wahre kulturelle Verhaltensweisen von nördlichen zu südlichen Nationen? Spielt das Klima eine Rolle für die kulturellen Einstellungen und Lebensweisen?
Eine weitere Methode ist das Interkulturelle-Speed-Dating. Hierbei sitzen mehrere Personen einzeln an einem Tisch. Eine andere Gruppe setzt sich diesen Einzelpersonen gegenüber und sie versuchen sich gegenseitig kennenzulernen. Nach 5-10 Minuten wechselt die eine Gruppe jeweils einen Sitzplatz weiter und lernt wieder eine neue Person kennen. Wichtig hierbei ist den Menschen kennenzulernen und nicht nur den Migrationshintergrund wahrzunehmen. Angestrebt werden sollte, dass Vorteile erkannt und aus dem Weg geräumt werden können.
Direkt im Anschluss sollte gemeinsam der Film „Almanya“ geschaut werden. Dies schließt thematisch sehr gut an die Kontinent Karten an, denn hier würde es um Klischees, Vorurteile und Stereotype zwischen Türken und Deutschen gehen. Um vertiefend noch die Migration, Akkulturationseinstellungen zu besprechen und die interkulturelle Kompetenz zu erwerben, sollten Sie in Einzelarbeit das Arbeitsblatt ausfüllen. Dieses wird im Anschluss daran mit der Gemeinschaft besprochen. Dabei soll die Gedankenhilfe eine Unterstützung bei der Beantwortung der Fragen sein.
Bei dem Film handelt es sich um eine Tragikomödie. Im Fokus steht eine Familie mit türkischem Migrationshintergrund, welche in Deutschland lebt. Von den Anfängen der „Gastarbeiter-Zeit“ bis zum gemeinsamen Zusammenleben in der nun dritten Generation erzählt der Film. Eine Reise in die Türkei bringt alle Erinnerungen der Vergangenheit zum Vorschein und dass die Enkelkinder viele Fragen zu ihrer eigenen Herkunft haben
Fragen zum Film „Almanya“
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1 Warum reisten „Gastarbeiter“ nach Deutschland? Aus welchen Ländern reisten sie an?
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2 Was empfindet ihr bei dem Wort „Viehmarkt“, als es um die Anwerbung von Fachkräften ging, und was hat dies mit einem Gesundheits-Check zu tun?
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3 Welche Gründen waren es, dass die Menschen aus der Türkei bereit waren nach Deutschland zu ziehen? „Die vielversprechende Zukunft in Deutschland“ – was ist damit gemeint?
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4 Wie fühlt sich der kleine Enkel Cenk als bei der Landkarte die Türkei nicht vollständig drauf ist, sondern bei Istanbul endet (europäische und asiatische Seite)? Wie geht die Lehrkraft mit dieser Situation um? Was hättet ihr als Lehrkraft in dieser Situation unternommen?
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5 Zähle alle Klischees über „DIE DEUTSCHEN“ bei der Einbürgerung von Opa Hüseyn Yilmaz und Oma auf.
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6 Warum behandeln die Jungs im Sportunterricht den kleinen Enkel Cenk so schlecht? „Gruppe Türken gegen Deutsche im Fußball“ – was sagt dies über die Integration in der Klasse aus? Über welche Generation der Einwanderung reden wir in diesem Beispiel? „Den schenken wir euch, der kann gar nichts“ – Jungs Stumpen den kleinen Enkel zu der Gruppe der Deutschen und sagen auch, dass er ein Deutscher ist. Wie reagiert er? Was sagt der Satz aus, dass er nichts kann und deshalb beim Fußball in die Gruppe der Deutschen soll? Wie würdet ihr als Lehrkraft in so einer Situation handeln? Welchen Grund erfahren die Zuschauer bei dem Gespräch mit der Familie, warum er selbst am Anfang nicht wusste zu welchem Team er gehört „Deutsch“ oder „Türkisch“? Wie nehmen ihn die Jungs in der Klasse deshalb wahr? Was ist der Unterschied zu dem Jungen in der Türkei, welcher Simit verkauft?
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7 Als Oma und Opa Hüseyn Yilmaz deutsche Staatsangehörige werden, kauft dieser ein Haus in der Türkei, und zwar in Anatolien. Warum kauft er dieses Haus gerade zu diesem Zeitpunkt? Was ist damit gemeint, dass sie auf dem Papier Deutsche sind, aber Türken sind? War es sein Wunsch mit der Einbürgerung? Wenn Sie Türken sind, warum sind Opa und Oma dann in Deutschland, fragt der Enkel? Was ist die Antwort darauf? Welche Angst verspürt Oma und ist diese berechtigt? Welchen Wunsch äußert Opa an seine Familie und wie reagieren sie?
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8 Die Cousine sagt dem kleinen Enkel Cenk, dass er auch beides sein kann. Er antwortet, aber „nein, das geht nicht, entweder das eine Team oder das andere.“ Hier wirkt die Situation in der Schule sehr stark auf seine Einstellung ein. Was sollte getan werden, damit sich dies ändert? Wie wichtig ist diese Aussage für seine Identitätsentwicklung? Können sich daraus Krisen entwickeln?
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9 Bei dem biografischen Erzählen der Enkelin wird die Situation sehr deutlich, was passiert, wenn ein Arbeitsmigrant seine Familie und seine Heimat verlässt. Berichte und analysiere, was dies für Auswirkungen auf das familiäre Leben hat. Was ist der entscheidende Grund, warum sich Opa entscheidet seine Familie mit nach Deutschland zu nehmen. Seinem Antrag auf Familienzusammenführung wird stattgegeben.
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10 Was erzählt der Freund dem kleinen Sohn über Deutschland und die deutsche Bevölkerung? Wie sehr beeinflusst dies sein Verhalten vor Ort?
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11 Beschreibe die Situation in der SB, als es um Ausländer und Nachwuchs geht. Wie äußert sich das Ehepaar und wie die Enkelin? Hättest Du auch bei den Worten reagiert? Was wären Deine Worte gewesen? Wärst Du emotional verärgert, traurig, neutral eingestellt gewesen oder wäre es Dir egal?
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12 Was für eine Wirkung hat Cola und warum die Umarmung?
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13 Welche kulturellen Unterschiede werden bei der Einreise und der weiteren Aufenthaltsdauer in Deutschland von Seiten der türkischen Familie deutlich? Welche Rollenbilder entstehen? Was gefällt dem älteren Sohn direkt an Deutschland? Warum reist Vater Hüseyn Yilmaz in den Urlaub in die Türkei? Was passiert als der Sohn seinem Freund eine Cola schenkt? Warum kauft Opa Hüseyn ein Haus in Deutschland?
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14 Von dem kleinen Enkel, ist der Vater, der jüngste Sohn der Familie und wird in Deutschland geboren. Welche Rolle hat er in der Familie?
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15 Was war der Traumberuf der einzigen Tochter? Wo begegnen ihr Frauen in diesem Beruf?
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16 Im Leben zu wissen, was wichtig ist und was nicht. Die Zeit mit der gesamten Familie zu verbringen, ist sehr kostbar. „Das wird sehr schön“ sagt Opa Hüseyn. Stellt die Bedeutung der Familie aus pädagogischen und kulturellen Aspekten dar.
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17 Welche Einladung erhält der Opa Hüseyn Yilmaz? Wie reagiert er und seine Familie darauf? Wie interpretiert ihr die Tanzszene mit seinem Enkel Cenk im Barbershop?
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18 Welches berührende Gespräch führt Opa Hüseyn Yilmaz mit seiner Enkeltochter? Wo liegen die Probleme? Wie findet ihr seinen Umgang mit der Situation? Wie reagieren hingegen ihre Mutter und die Oma? Wann erzählt sie ihnen davon?
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19 Wo wird der Opa Hüseyn Yilmaz beerdigt? Was gestaltet sich bei der Beerdigung schwierig? Was passiert bei der Beerdigung?
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20 Was für ein Haus hat der Opa Hüseyn Yilmaz gekauft? Was ist das Besondere an diesem Grundstück und welchen Gedanken verfolgte er für seine Familie?
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21 Warum schüttet der Sohn Wasser nach den Reisenden, nachdem er sich entschließt in der Türkei zu bleiben und das Haus aufzubauen.
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22 Wer hält die Rede für den Opa Hüseyn Yilmaz und von wem wird er anschließend in den Arm genommen? Was macht dieses Ereignis mit dieser Person?
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23 Interpretiere folgendes Zitat aus dem Film: „Ein kluger Mann antwortete Mal auf die Frage wer oder was wir sind. Wir sind die Summe all dessen, was vor uns geschah, all dessen, was vor unseren Augen getan wurde, all dessen, was uns angetan wurde, wir sind jeder Mensch und jedes Ding dessen Dasein das unseres beeinflusst hat, oder von unserem beeinflusst wurde. Wir sind alles, was geschieht, nachdem wir nicht mehr sind, was nicht mehr sind, was nicht geschehen wäre, wenn wir nicht gekommen wären.“
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24 „Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen“ (Max Frisch). Was sagen diese Worte aus?
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25 Durch die Erfahrung der Betriebsleitung, würden sie heute nur auf türkische Arbeitskräfte zurückgreifen? Wie sehr unterscheidet sich die Aussage zu der am Anfang?
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26 Warum schenkt der kleine Enkel seiner Lehrerin die Karte von der Türkei? Wie reagiert sie und ein anderer Schüler? Was entsteht durch diese Situation in Bezug zu der Beziehung zu der Lehrkraft und den beiden Schülern. Welche Identitätsentwicklung durchläuft der kleine Enkel dadurch?
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27 Welche Generationen sind in der Familie vertreten und welche Akkulturationseinstellungen haben sie für sich gewählt? Begründe deine Aussagen mit den dazugehörigen Stellen aus dem Film.
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Gedankenstütze für die Lehrkraft zu dem Film Almanya
Zu 1)
Deutschland brauchte nach dem zweiten Weltkrieg sehr viele Arbeitskräfte, um Deutschland wieder aufzubauen. Aus der Türkei wurden Arbeitskräfte geholt, weil nicht genug Personen aus Italien und Spanien nach Deutschland reisten.
Zu 2)
Wenn Vieh auf dem Markt gekauft wird, werden die Zähne und der Körper begutachtet und dann wird entschieden, ob das Kamel oder der Esel gekauft wird.
Bei der Anwerbung der Fachkräfte fand ein Gesundheitscheck statt und auch die Zähne wurden überprüft. Die Personen, welche den Gesundheitscheck bestanden, durften in Deutschland bleiben und arbeiten und die anderen nicht. Leider wurde damals in den Medien der Begriff „Viehmarkt“ verwendet. Damit wurden die Menschen mit Vieh verglichen, welche begutachtet und gekauft werden. Dies hinterlässt bis heute tiefste Bestürzung aufgrund der Diskriminierung und viele Menschen weinen bis heute.
Zu 3)
Die Personen versprachen sich in Deutschland eine vielversprechende Zukunft und sie brauchten das Geld, um ihre Familien zu ernähren.
Sie versprachen sich einen gesicherten Beruf mit einem geregelten Einkommen, eine Wohnung, ein Auto, gesicherte Gesundheitsversorgung. Sie wünschten sich für ihre Kinder eine gesicherte Zukunft mit einem guten Beruf. Dafür wollten sie für ihre Kinder eine gute Schulbildung und vielleicht ein Studium.
Zu 4)
Der kleine Enkel Cenk ist sehr traurig. Er wird einfach auf die Tafel weit von den anderen gesetzt. So als ob er gar nicht zu den Ländern und den Menschen gehört. Die Lehrkraft geht gar nicht auf ihn ein. Sie reagiert noch nicht mal darauf, dass er traurig ist. Ein anderer Schüler mit türkischem Migrationshintergrund sagt in diesem Moment, dass er aus Istanbul ist und somit setzt ihn die Lehrkraft auf die Karte. Daraufhin lachen sie und Cenk wird noch trauriger.
Von der Lehrkraft wäre es besser gewesen, den asiatischen Teil der Türkei als Karte direkt dabei zu haben, wenn Schülerinnen und Schüler mit türkischem Migrationshintergrund in der Klasse sind, dies wäre interkulturelle Kompetenz und Sensibilität. Oder sie hätte den Schüler zu Istanbul stellen sollen und sagen sollen, dass sie morgen den asiatischen Teil mitbringt und ihn dann zu der Heimatstadt seines Großvaters stellt. So lange bleibt er einen Abend zu Besuch in Istanbul in der Türkei.
Auf jeden Fall hätte sie auf die Traurigkeit des Schülers eingehen müssen und im Anschluss ein persönliches Gespräch führen müssen, bei welchem er wieder aufgebaut wird und sich als Teil der Klasse fühlt. Durch ihr Verhalten wird er aus der Klassengemeinschaft ausgegrenzt und dies ist sehr diskriminierend und separierend.
Zu 5)
Klischees über Deutsche:
Beamter
Mallorca Urlaub
Schützenverein
Schweinefleisch
Dirndl
Hitlerbart
Hierbei die Schülerinnen und Schüler fragen, ob Hitler Deutscher war.
Und darüber aufklären, dass er Österreicher war, aber den nationalsozialistischen Staat in Deutschland umgesetzt hat.
- Sind diese Klischees Vorurteile oder was davon ist typisch deutsch?
- Was ist typisch deutsch?
- Was ist die deutsche Identität?
Zu 6)
Die Schüler in der Klasse nehmen Cenk nicht als Türken war. Seine Mama ist Deutsche und sein Vater ist als zweite Generation schon in Deutschland geboren. Cenk ist somit schon die dritte Einwanderungsgeneration in Deutschland.
In der Klasse herrscht keine integrative Atmosphäre. Denn wenn Schüler „Türken gegen Deutsche“ im Fußball spielen wollen, so spiegelt das wider, dass sie auch im Klassenverband eher gegeneinander sind. Ein Miteinander ist nicht zu spüren. Hinzukommt noch, dass die deutschen Schüler als schlechte Fußballer gelten, deshalb soll auch Cenk in diese Gruppe, da er schlecht Fußball spielen würde und keine Leistung erbringen würde. Auch hier erfährt er wieder Diskriminierung und Ausgrenzung. Aber auch die deutschen Schüler werden wegen ihren schlechten Fußball-Leistungen herabgesetzt.
Als Lehrkraft sollten gemischte Teams umgesetzt werden, alles andere wäre Rassismus. Zudem sollten es auch gemischte Teams nach der sportlichen Leistung geben. Der Sportunterricht hat einen integrativen Charakter und ist nicht ausgrenzend.
Cenk mit den Worten, den schenken wir euch zu Stumpen, ist nicht vertretbar. Er ist kein Gegenstand und kann nicht einfach von den Türken an die Deutschen verschenkt werden, dies fällt unter psychische und das Stumpen unter körperliche Gewalt. Zudem ist der Satz, dass er gar nichts kann, eine sehr starke Herabsetzung und Beleidigung. Welche sein eigenes Selbstbild und sein Selbstwertgefühl massiv beeinflussen kann. Hier bräuchte er seine Familie oder seine Freunde, welche ihm aufzeigen, wie toll er ist und was er alles kann. Aber ach die Lehrkraft sollte dies tun, und zwar vor der ganzen Klasse, damit klargestellt ist, was er alles leisten kann. Cenk schlägt zurück und eine Schlägerei beginnt, bei welcher er ein blaues Auge davonträgt. Mit der Familie möchte er nicht drüber reden. „Es ist nichts“. Sein Vater erzählt es und Opa hält zu seinem Enkel, zudem möchte er, dass sein Sohn eine Anzeige stellt und morgen in die Schule geht.
In der Türkei lädt der Opa den jungen Mann, welcher Simit verkauft zum Essen ein. Dieser findet es nicht schlimm, dass Cenk kein türkisch spricht und meint, dass er auch deutsch kann und redet mit ihm. Er nimmt ihn an, wie er ist, grenzt ihn nicht aus, verspottet ihn nicht, sondern ist direkt im warmherzigen Kontakt mit ihm. Die Mama und der Opa lächeln ihn liebevoll in diesem Moment an.
Wie leistungsstrak Enkel Cenk ist und wie sehr er sich entwickelt in seiner Persönlichkeit und sein Selbstbewusstsein, wie auch sein Selbstwertgefühl sich steigert, wird zum Ende des Films sehr deutlich. Zudem ist er ab diesem Zeitpunkt in der Lage Konflikte sachlich und im Guten mit der Lehrkraft und den Schülern anzusprechen, zu klären und hat selbst die Lösungen dazu parat.
Zu 7)
Als Opa Hüseyn Deutscher auf dem Papier wird, kauft er für seine Familie ein Haus in der Türkei und möchte mit allen dort Urlaub machen. Gerade weil er auf dem Papier Deutscher wurde, benötigt er den Halt und ein zu Hause in seiner Heimat und seinem Geburtsort. Somit ist er auch weiterhin mit seinem Heimatort verbunden. Früher ist er auch mit seiner Familie in die Türkei gefahren, als er das Gefühl hatte, dass seine Herkunftskultur ganz verloren geht oder an Bedeutung verliert. Er war immer bemüht die deutsche Kultur anzunehmen und mit den Werten des Landes zu leben, aber auch seine Herkunftskultur zu behalten. Mit einer Reise in sein Heimatland holt er sich dies immer wieder in sein Leben in Deutschland zurück und integriert beides so gut er es für sich und seine Familie kann.
Auf dem Papier ist er Deutscher, aber in seinem Inneren ist er Türke. Er lebt in Deutschland und nimmt auch die Staatsangehörigkeit an, obwohl dies mehr wegen den Wünschen seiner Ehefrau geschieht. Aber ihm ist es wichtig, dass wenn er gefragt wird, dass er dann sagt, dass er Türke ist. Er ist als Türke geboren und bleibt Türke. Ist aber jetzt deutscher Staatsbürger, wohnt in Deutschland und versucht beide Kulturen miteinander zu vereinen.
Auch wenn man eine Staatsangehörigkeit annimmt, bleibt man immer der Mensch, als der man geboren wurde.
Bei der Frage des Enkels wird deutlich, wie sehr die Mannschaftsgruppenzuordnung des Sportunterrichts ihn in seinem Denken beeinflusst, also entweder Türke oder Deutscher. Wenn Opa und Opa Türken sind, warum sie dann in Deutschland leben, dann müssten sie doch in der Türkei leben. Das beides möglich ist, versteht er nicht. Denn in der Schule geht nur das eine oder andere. Aber bei ihm zu Hause wird beides gelebt. Denn sein Vater ist das einzige Kind, dass in Deutschland geboren wurde, und seine Mama ist Deutsche. Also ist sein Leben sowieso von beiden Kulturen umgeben und er wächst damit auf. Trotzdem hat die Situation der Schule so einen großen Einfluss auf sein eigenes Denken. Dabei entschließt sich die andere Enkeltochter ihm die Familienhistorie zu erzählen. Somit beginnt die Geschichte der Familie mit dem Anwerbern der Arbeitskräfte aus der Türkei.
Oma hatte Angst, dass sie in die Türkei ziehen sollen, weil ihr Mann das Haus gekauft hat. Aber er hat es nur für den Urlaub im Sommer gekauft.
Die ganze Familie ist nicht so begeistert den Urlaub zusammen in der Türkei zu verbringen. Alle meinen, dass sie keine Zeit haben. Aber dann fliegen alle gemeinsam in den Urlaub. Opa Hüseyn zeigt der Enkelin auf, worauf es im Leben ankommt.
Opa Hüseyn stirbt auf dem Weg zu dem Grundstück, welches er gekauft hat. Die Frage ist, wusste er, dass er sterben würde? Hat er es gespürt? Wollte er in seinem Heimatland sterben und dass seine ganze Familie dabei ist. Gerade weil er deutscher Staatsbürger war, ist die Bestattung in der Türkei sehr wichtig für ihn. Da er vor Ort in der Türkei stirbt, setzt die Familie auch die Beerdigung durch. In dem Film wird dies nicht erwähnt, aber ich glaube, dass er es gespürt hat, dass er sterben wird, oder er wusste es. Die Schwangerschaft seiner Frau und seiner Enkeltochter fällt ihm auch auf. Als ihm schwindlig wird und er taumelt, sagt er, dass es nur die Hitze ist, denn die Enkeltochter ist besorgt. Aber kurz danach verstirbt Opa Hüseyn im Beisein seiner Familie.
Zu 8)
Bei der Frage des Enkels wird deutlich, wie sehr die Mannschaftsgruppenzuordnung des Sportunterrichts ihn in seinem Denken beeinflusst, also entweder Türke oder Deutscher. Wenn Opa und Opa Türken sind, warum sie dann in Deutschland leben, dann müssten sie doch in der Türkei leben. Das beides möglich ist, versteht er nicht. Denn in der Schule geht nur das eine Team oder das andere Team andere. Aber bei ihm zu Hause wird beides gelebt. Denn sein Vater ist das einzige Kind, dass in Deutschland geboren wurde, und seine Mama ist Deutsche. Also ist sein Leben sowieso von beiden Kulturen umgeben und er wächst damit auf. Trotzdem hat die Situation der Schule so einen großen Einfluss auf sein eigenes Denken. Dabei entschließt sich die andere Enkeltochter ihm die Familienhistorie zu erzählen. Somit beginnt die Geschichte der Familie mit dem Anwerbern der Arbeitskräfte aus der Türkei. So erfährt der Enkel, dass Deutschland sie gerufen hat. Sie fahren alle gemeinsam in die Türkei und der Enkel lernt einen anderen jungen Mann kennen, welchem egal ist, dass er kein türkisch spricht. Trotzdem nimmt er ihn als Türke wahr und behauptet nicht gleich, dass er Deutscher sei. Langsam lernt der Enkel seine Herkunftsgeschichte kennen und erlebt alles vor Ort. Mit allen Informationen und den eigenen Erfahrungen merkt er, dass er beides ist und auch beides sein kann, also „Deutsch und Türkisch“. Seine Persönlichkeit, seine Reife und seine Identität wächst während des gesamten Films.
Wenn Personen mit Migrationshintergrund ihre Herkunftskultur nicht leben können, obwohl sie dies möchten, können sie in Krisen geraten, welche Persönlichkeitsstörungen oder auch Identitätskrisen hervorrufen können. Für die eigene Identität ist es bedeutsam zu wissen, wer man ist, woher man stammt und welche Kulturen einen auszeichnen. Wichtig ist beide Herkunft Seiten in sich zu vereinen. Schwierig ist es auch, wenn Personen einen inneren Kulturen Kampf austragen. Die Kulturen sollten im Inneren im Einklang und miteinander verbunden werden. Sie sind ein Teil eines Selbst und beeinflussen die Identität gravierend.
Durch den Vorfall in der Schule könnten auch diese Personen ihre Herkunftskultur mit der Assimilation ablehnen und nur die deutsche Aufnahmekultur annehmen. Schließlich werden sie sowieso von den Türken ausgegrenzt. Im schlimmsten Fall könnte Hass, Rassismus oder sogar Rechtsradikalismus entstehen.
Zu 9)
Da das Geld zum Leben in der Türkei nicht reichte, ging Opa Hüseyn allein nach Deutschland, um dort zu arbeiten. In Deutschland war alles anders. Besonders die Sprache war ganz anders. Sein Gehalt schickt er in die Türkei zu seiner Frau und den Kindern. Als er sie besucht, erkennen die Kinder ihn nicht mehr. Der ältere Sohn schwänzt die Schule und der Lehrer erklärt, dass es ihm an Disziplin fehlt. Deshalb entscheidet er, dass er seine Familie mit nach Deutschland nimmt und seinem Antrag auf Familienzusammenführung wird stattgegeben. Die Kinder müssen sich von Freunden und Verwandten und ihrem zu Hause verabschieden. Sein Freund wünscht sich von ihm eine Cola und fragt, ob er diese ihm schicken kann. Aber eine Cola passt nicht in einen Briefumschlag. Daraufhin erzählt ihm der Freund von einem toten Mann am Kreuz. Die Ungläubigen essen Schweinefleisch und Menschen. In der Kirche treffen sie sich jeden Sonntag und essen den Mann, den sie getötet haben und trinken sein Blut (Opladen stehen für das Leib Christi und der Wein für sein Blut = symbolisch gemeint). Als er in der Küche zum ersten Mal der Jesu Figur begegnet, schreit er total und hat unglaubliche Angst. Mutter ist erstaunt, dass die Christen eine Holzfigur anbeten und was es alles gibt.
Als die Familie in Deutschland ankommt, empfinden sie die Deutschen als Riesen. Kleinste Sohn hat Angst vor den Riesenratten, welche einen auffressen. Doch dies war nur ein Dackel und der Hund geht an der Leine mit seinem Herrchen spazieren. Dies ist völlig neu für die Familie, auch das die Hunde mit im Bett schlafen. Bei der Toilette fragt die Mutter was dies für ein Stuhl sei. Das ist sehr schmutzig. Sie möchte es erst putzen, bevor es benutzt wird. Wer weiß, was die Deutschen für Krankheiten haben. Da die Mutter die Sprache nicht spricht, ist es schwierig Brot zu kaufen. Aber bei der Milch weiß sie sich durch Nachahmen des Melkens zu helfen. Das Besondere für die Kinder sind die Müllmänner, welche immer zur selben Zeit die Mülltonnen lehren. Sie winken ihnen und die Schwester möchte so gerne Müll Frau werden. Doch der Bruder meint, dass dies nicht geht, da es Müllmänner heißt und Frauen können diesen Beruf nicht ausführen. Die Kinder kommen in die Schule, um über
Umso länger die Familie in Deutschland lebte, um so mehr Einfluss hatte die Kultur der Aufnahmegesellschaft auf ihr Leben. So wünschten sich die Kinder von ihren Eltern ein schönes Weihnachtsfest. Der kleine Bruder freundet sich sogar mit Jesus in der Grippe an (ist ja auch was anderes als gekreuzigt), während der große Bruder ihn damit aufzieht. Sie lieben die Weihnachtsschaufenster. Die Kinder erklären ihren Eltern, dass sie mit der Glocke klingeln müssen, nachdem sie die Geschenke unter den Baum gelegt haben. Sie sind enttäuscht, dass der Baum so klein ist und nicht ganz so geschmückt ist, wie im Schaufenster. Auch die Geschenke sind nicht eingepackt und die Mama hält diese in den Händen, anstatt dass diese unter dem Baum liegen. Die Mama wollte strahlend ihren Kindern die Geschenke überreichen, aber nach dem Weihnachtsbrauch befinden sich diese verpackt unter dem Baum. Danach essen sie alle zusammen, wie alle Familien es an Weihnachten machen.
Die Tochter findet, dass ihr Vater sich den Schnurbart abrasieren soll, denn das ist nicht schön. Aber er findet, dass richtige Männer einen Bart tragen. Die Tochter erwidert, dass es hier als nicht schön gilt, wenn Männer einen Schnurbart tragen. Da entschließt der Vater einen Urlaub in der Türkei zu verbringen, um seine Herkunftskultur wieder seinen Kindern näher zu bringen, wieder mehr zu sich nach Hause zu holen und vielleicht auch, um seinen Schnurbart zu retten.
Zu 10)
Sein Freund wünscht sich von ihm eine Cola und fragt, ob er diese ihm schicken kann. Aber eine Cola passt nicht in einen Briefumschlag. Daraufhin erzählt ihm der Freund von einem toten Mann am Kreuz. Die Ungläubigen essen Schweinefleisch und Menschen. In der Kirche treffen sie sich jeden Sonntag und essen den Mann, den sie getötet haben und trinken sein Blut (Opladen stehen für das Leib Christi und der Wein für sein Blut = symbolisch gemeint). Wahrscheinlich wegen der Enttäuschung durch die nicht zu schickende Cola, macht er seinem Freund Angst vor den Deutschen.
Zu 11)
Die Frau äußert sich zu ihrem Ehemann, dass die Ausländer kein anderes Hobby haben. Es gibt die Pille, aber auch dafür wären sie zu doof. Die Enkeltochter von Hüseyn antwortet, wenn wir den ganzen Tag im Dschungel rumhängen, haben wir nichts anderes zu tun, können nur faulenzen und herumvögeln. Das müssen sie uns Ausländern schon verzeihen. Die Frau antwortet: „Wer redet schon mit ihnen.“ Die Enkeltochter erwidert daraufhin: „Es gibt Menschen, die freuen sich über Kinder. Auch wenn es mehr als eineinhalb sind.“ Die Frau möchte noch nicht einmal mit der Enkeltochter reden. Das diese emotional reagiert, liegt auch daran, dass sie schwanger ist.
Ich hätte auch etwas zu den Äußerungen dieser Frau gesagt, aber wahrscheinlich sachlicher. Dabei hätte ich die Bedeutung der Kinder herausgearbeitet und sie gefragt, wo genau ihr Problem ist. Dies hätten wir dann zusammen erörtert. Meistens kommt so die ganze Wahrheit heraus, um was es ihnen wirklich geht. Dies hilft mit rassistischen oder rechtsradikalen Äußerungen umzugehen, ohne in eine negative Auseinandersetzung zu geraten, sondern ist eher sehr gewinnbringend, da sachlich über den Inhalt gesprochen wird.
Zu 12)
Warum ist die ganze Welt so von Cola begeistert? Cola ist ein Symbol der westlichen Welt und steht irgendwie auch für Wohlstand. Nicht nur die Menschen aus der Türkei wünschten sich die Cola geschickt zu bekommen, sondern auch die Menschen aus der DDR (heute Ostdeutschland). So wurden viele Päckchen mit Cola und Schokolade in die DDR verschickt. Die Begeisterung und Freude der Bevölkerung, war dieselbe, wie in der Türkei. Es ist aber auch eine Markenliebe aller Kinder vorhanden. Ich selbst mochte das Getränk Cola als Kind nicht, aber die Marke Cola liebte ich. Diese Liebe oder Faszination der Marke Cola bleibt bis in das Erwachsenenalter. Deshalb umarmt der erwachsene Mann voller Zuneigung die Cola Flasche. Außerdem liebt die ganze Weltbevölkerung die Cola Werbung, und zwar am meisten zu Weihnachten.
Zu 13)
Die deutsche Liebe zu Haustieren, welche auch im Bett schlafen, besonders zu Dackeln, welche für die neu eingereiste türkische Familie Riesenratten sind. Heutzutage lieben auch die Personen mit türkischen Migrationshintergrund Haustiere und auch da schlafen sie im Bett mit.
Die Toilette war ein verschmutzter Stuhl, welche nach der Reinigung von der türkischen Mama als Toilette anerkannt wurde.
Die Deutschen waren Riesen, da sie viel größer waren. Auch dies hat sich relativ angepasst, denn es gibt große und kleine Deutsche oder Türken.
Besonders gefiel dem ältesten Sohn direkt der deutsche Mercedes. Bis heute ist dieses Auto neben dem BMW, manchmal auch noch der Audi das Statusauto der Personen mit Migrationshintergrund. Vielleicht sollte die deutsche Bevölkerung daran denken, wenn sie den deutschen Motor heulen hören. Das ist der Sound Deutschlands und eine absolute Markenfaszination.
Der Vater arbeitet und die Mama kümmert sich um die Kinder und den Haushalt. Dabei versucht sie beim Einkaufen Deutsch zu lernen. In der ersten Zeit übernehmen die Kinder das Übersetzen und sind bei Arztbesuchen die Ansprechpartner. Durch das Übersetzen verschieben sich die Rollenbilder der Kinder und Eltern. Da sie die Rolle der Eltern und Erwachsenen einnehmen müssen. Hierbei durchlaufen sie automatische eine gewisse Reife. Manchmal kann dies zu Problemen oder Schamgefühl zwischen den Eltern und Kindern führen. Aber hier sollte man einfach ehrlich und offen mit der Situation umgehen, denn die Eltern haben nie an der Schule Deutsch gelernt und auch keine Sprachkurse erhalten. Sie sind die ganze Zeit am Arbeiten. Das dürfen die Kinder, welche hier in der Schule Deutsch gelernt haben, nicht vergessen. Am besten spricht die kleine Tochter Deutsch und deshalb hat sie diese verantwortungsvolle Aufgabe erhalten und nicht ihre großen Brüder.
Das Weihnachtsfest ist neu für die Familie, aber weil es sich die Kinder so wünschen, setzen sie es um. Auch wenn es nicht genauso ist, wie bei den anderen, können sie aber daran erkennen, wie lieb ihre Eltern sie haben und sie ihnen damit eine Freude machen wollen. Weihnachten zu feiern, kennen sie nicht, dies müssen sie alle erst noch erleben.
So gerne würde ich alle Nationen zu einem gemeinsamen Weihnachtsfest unter dem Stern der Kinder einladen. Denn der Weihnachtsstern erleuchtet bei der Geburt Jesus.
Übrigens der kleine Sohn der Familie, welcher diese Horrornachrichten von seinem Freund erhalten hatte und panisch schrie, als ihm zum ersten Mal der gekreuzigte Jesus in der Küche begegnet, lächelt bei dem Anblick von Jesus in der Grippe. Sein Bruder zieht ihn damit auf und die Schwester lacht ihn aus. Auch die Mutter ist erstaunt, dass die Christen eine Holzfigur anbeten: „Was es alles gibt.“
Ich kann die Angst des Jungen sehr gut nachempfinden, denn bis heute habe ich ein Problem mit dem gekreuzigten Jesus. Allerdings habe ich keine Angst, aber mir hat auch niemand solche Horrorgeschichten erzählt, sondern dass Leid, welches Jesus ertragen muss, ist schwer für mich. Denn wie konnten Menschen ihm das antun. Auf die heutige Zeit bezogen, könnte mit Schülerinnen und Schüler darüber diskutiert werden, welche Auswirkungen Mobbing auf Personen haben und dass auch diese tödlich enden können. Dabei ist zu hinterfragen, wie gewalttätig Menschen sein können und welche Hemmschwellen es gibt. Dies wäre in einer interkulturellen Kommunikation auch sehr wichtig, damit Kinder und Jugendliche die Kreuzigung Jesus richtig einschätzen können. Aber bis heute habe ich auch keine Antwort erhalten, warum sie das Leib Jesus in Form von Opladen und das Blut in Form von flüssigem Wein zu sich nehmen. Bisher weiß ich nur, dass es symbolisch gemeint ist. In Bezug zu der Kreuzigung macht diese Symbolik natürlich Angst. Hier bräuchten wir genauere Erklärungen von Seiten der Kirchenvertreter. Schöner fände ich die Geschichte der Kreuzigung, in wenigen Sätzen zusammengefasst, mit unseren deutschen Grundgesetzwerten daneben aufgeführt als Wertetafel und Mahnung solcher Mobbingtaten bis in den Tod aufzuhängen. Dann kann jeder direkt die Bedeutung der Kreuzigung Jesus nachvollziehen und einordnen.
Dem Horrorgeschichtenerzähler schenkt der kleine Sohn bei der Reise in die Türkei eine Flasche Cola, doch dieser ist enttäuscht. Denn jetzt hätte er viel lieber ein Auto und wenn er nur die Cola mitbringt, dann hätt er wenigstens einen ganzen Kasten schenken sollen, wütend nennt er ihn einen Geizhals und rennt weg. Doch es war die gewünschte Cola als symbolisches Geschenk überreicht mit einem Strahlen. Dies kann der Sohn nicht nachvollziehen und läuft enttäuscht zu seinen Eltern. Auch sein Vater hat diese Erfahrungen mit Nachbarn und Freunden gemacht. Da sie in Deutschland leben und viel Geld verdienen, erwarten sie wertvolle Geschenke. Doch dabei übersehen die Verwandten, dass sie selbst diese Sachen nicht besitzen. Es war eine Zeit voller falscher Erwartungen und Vorurteilen. Die ausgewanderten Personen hätten ehrlich sein sollen, doch aus Scham schwiegen sie oft über die richtigen materiellen Verhältnisse vor Ort in Deutschland.
Der Vater wollte die Reise in die Türkei aufgrund der Verlustangst seines männlichen türkischen Schnurrbarts. Denn seine Tochter wollte, dass er diesen abrasiert. Hinzu kam noch das Weihnachtsfest und das die Kinder untereinander alle sich auf Deutsch unterhielten. So wollte er zurück in sein Heimatland und ihnen wieder die türkische Kultur näherbringen und auch selbst diese wieder spüren. Die Verlustangst der türkischen Kultur tut im Herzen weh und dann muss man schnell in die Heimat reisen.
Jetzt wo er deutscher Staatsbürger wurde, benötigt er dringend wieder diese Reise in sein Heimatland. Denn im Herzen ist er Türke, schließlich wurde er als Türke geboren, aber auf dem Papier ist er jetzt Deutscher und lebt integriert mit der türkischen und deutschen Kultur in Deutschland im Einklang. So kauft er ein Haus als Sommerferienhaus in der Türkei und möchte mit der ganzen Familie dort Zeit verbringen. Vielleicht spürte er aber auch, dass er sterben würde und wollte zurück in sein Heimatland.
Zu 14)
Der Vater des Enkels Cenk ist in Deutschland geboren und hat eine deutsche Frau geheiratet. Er spricht nicht so gut türkisch und verträgt kein scharfes Essen. Außerdem hat er einen empfindlichen Magen und möchte bei der Raststätte in der Türkei erst nichts essen, dann tut er es doch, findet es so lecker und landet mit Durchfall auf Toilette. Er ist der erste Deutsche der Familie, weil er in Deutschland geboren wurde. Somit ist er die zweite eingewanderte Generation. Dies betrifft die Enkeltochter auch. Sein Sohn Cenk hingegen, ist dann schon die dritte eingewanderte Generation.
Zu 15)
Die Tochter und der kleine Bruder schauten sich aus dem Fenster die Müllmänner in Deutschland an und winkten ihnen. Dies war ihr Ritual, über das sie sich so freuten, als sie neu nach Deutschland eingereist waren. Da wollte sie so gerne Müll Frau werden. Doch ihr Bruder meinte, dass dies nicht geht, denn sie ist ja ein Mädchen und nur Jungs können dies werden, denn es heißt ja auch „Müllmann“. Im Türkeiurlaub mit Opa Hüseyn sieht sie an der Raststätte ihre ersten Müllfrauen. Sie lässt alles stehen und liegen und ruft ihren Bruder, denn es gibt Müllfrauen. Sie freut sich so sehr. Sogar in der Türkei begegnen ihr die Müllfrauen, wo dies ihr Einwanderungsberufswunsch in Deutschland war.
Ich habe mich gerade gefragt, ob ich in Deutschland schon mal eine Müll Frau gesehen habe. Und komischerweise nein, bis heute nicht. Bisher sind mir nur Müllmänner begegnet. Hat ihr Bruder recht und in Deutschland üben diesen Beruf nur Männer aus?
Zu 16)
Das Wertvollste im Leben ist die Zeit mit der Familie. Diese Zeit macht uns glücklich und schafft die schönsten Erinnerungen, welche unser Leben bereichern. Aber auch für unsere Erziehung, Sozialisation und Entwicklung ist diese Zeit sehr kostbar. Gemeinsam mit der Familie sich zu unterhalten und zu lachen, lässt das Herz erstrahlen. Es verstärkt das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl.
Westlich geprägte Länder sind eher individualistisch ausgeprägt und asiatische, wie auch arabische und die Türkei sind eher kollektivistisch ausgerichtet. Dabei spielt die Familie eine sehr wichtige Rolle. Nach der Familie wird das eigene Leben ausgerichtet. Menschen aus asiatischen Kulturen sprechen von sich nicht in der Ich-Form, wenn sie sich selbst beschreiben. Sie definieren und beschreiben sich über ihre Familien oder sozialen Gruppen, welchen sie angehören (vgl. Aronson, Wilson & Akert, S. 154).
Zu 17)
Opa Hüseyn erhält eine Einladung zur Bundeskanzlerin Frau Merkel. Dort wird er als einer der ersten angeworbenen Arbeitskräfte geehrt und soll eine Rede halten. Leider fehlt die Anerkennung für die geleistete Arbeit und den persönlichen Einsatz dieser Menschen bis heute in Deutschland. Im Alltag findet dies von der Gesellschaft kaum Erwähnung. Sie haben Deutschland mit aufgebaut und sind ein Teil Deutschlands geworden. Doch leider werden sie nicht gleichwertig anerkannt. Diese Wertschätzung sollte mehr Erwähnung finden. Seine Frau ist begeistert und richtig stolz. Die Familie erfährt es auf der Fahrt in die Türkei und freuen sich richtig. Opa Hüseyn und Enkel Cenk lassen sich im Barbershop in der Türkei herrichten. Dort erzählt er dem Angestellten von der Einladung. Er fängt mit dem Enkel an die Rede zu üben und beide tanzen durch den Barbershop voller Freude. Bei dieser Szene erkennt der Zuschauer das erste Mal die unglaubliche Freude über diese Einladung und den Stolz. Leider stirbt Opa Hüseyn, aber sein Enkel vertritt ihn und ehrt ihn mit vollem Stolz.
Zu 18)
Opa Hüseyn merkt das seine Enkeltochter schwanger ist und spricht sie darauf an. Der Vater ist ein Engländer. Seine Reaktion ist, dass er sie fragt, wie sie an einen Engländer kennenlernen konnte. Warum ist es denn nicht wenigstens ein Deutscher. Sie hat Angst es ihrer Mama zu sagen, aber der Opa macht ihr Mut. „Wichtig ist, dass ihr beide euch liebt und respektiert“, sagt Opa Hüseyn. Dies ist die schönste Reaktion. Die Enkeltochter nimmt ihn in die Arme und sie weinen zusammen.
Kurz danach stirbt ihr Opa auf der Fahrt. Im Hotel angekommen, erzählt sie ihrer Mama im Beisein ihrer Oma davon. Doch diese reagiert nicht gut darauf. „Ist das der Dank für alle Freiheiten, welche ich Dir gegeben habe. Gut, dass es Opa nicht mehr miterlebt. Auch noch mit einem Deutschen.“ Sie teilt ihr mit das der Vater ihres Kindes Engländer ist und sie ihn liebt. Das sie schwanger ist, sei aus Versehen geschehen. Sie fragt ihrer Mama, ob sie will, dass sie es wegmachen lässt. Da mischt sich die Om ein. „Wollt ihr Leben nehmen, dass Allah gegeben hat?“ Die Mutter antwortet daraufhin, „Gut, dass es Opa nicht noch miterleben musste.“ „Er wusste es. Er hat mich darauf angesprochen. Ich weiß nicht wie, aber er hat es gewusst“, erwidert die Tochter. Die Oma erzählt, dass er es bei ihr auch immer gewusst hat. Sie war auch unverheiratet schwanger. „Dann bin ich die einzige Anständige in der Familie“, sagt die Mutter.
Zu 19)
Da Opa Hüseyn nun deutscher Staatsbürger ist, lehnen die türkischen Behörden die Beerdigung erst ab. Die Familie soll ihn in Deutschland beerdigen. Das möchten sie nicht und sagen den Behörden, dass ihr Vater Türke war. Die Behörden geben ihnen die Adresse vom Ausländerfriedhof weit weg. Oma geht dazwischen, denn ihr Mann wollte in seinem Dorf beerdigt werden. Dies ist illegal. Die deutsche Frau ihres jüngsten Sohnes gibt ihr Recht und sie und der kleine Enkel Cenk wollen dabei sein. Ihr Mann lächelt sie an und sie fahren in ihr Heimatdorf. Bei der Beerdigung erinnert sich die Oma, wie sie sich an dieser Stelle das erste Mal begegnet sind und hält dabei das Taschentuch, welches er ihr schenkte in den Händen. Opa Hüseyn wird nach islamischen Brauch an dieser wunderschönen Stelle in seinem Heimatdorf beerdigt. Alle weinen. Auch für den Zuschauer ist dies ein sehr ehrgreifender und trauriger Moment, wo Tränen liefen.
Zu 20)
Es gibt kein Haus, dass er gekauft hat, sondern nur ein Grundstück. Die Familie lacht. Aber das Grundstück ist wunderschön. Der Blick geht über die Berge und den Fluss. Ich wünschte Opa Hüseyn wäre noch an diesem Grundstück angekommen. Er hinterlässt seiner Familie so einen wunderschönen Ort. Der älteste Sohn entscheidet sich in der Türkei zu bleiben und das Haus aufzubauen, welches es noch nicht gibt. Er wollte seine Familie an diesem besonderen Ort zusammenführen und Zeit mit Ihnen verbringen. Aber ich glaube auch, dass er es gespürt hat, dass er sterben wird, und er wollte in seinem Heimatdorf beerdigt werden. So ist seine Familie immer mit seinem Heimatdorf verbunden. Auch wenn er nicht mehr am Leben ist und sie können diesen Ort als Familie immer aussuchen und an ihn denken.
Zu 21)
Der Brauch Wasser nach den Reisenden zu schütten, bedeutet, dass das Auto genau so fließend, wie das Wasser am Ziel ankommen soll. Aber auch, dass sie schnell wieder zurückkehren sollen. Dazu sollen sie noch vor allem Unheil geschützt sein.
Zu 22)
Die Rede, welche Opa Hüseyn im Kanzleramt in Berlin halten sollte, hält kein geringerer als der kleine Enkel Cenk. Er macht das so großartig. Sein Opa ist zu sehen, als ob er noch leben würde, voller Stolz, Freude und Liebe im Blick nickt er seiner Enkeltochter zu. Frau Merkel schließt den kleinen Enkel in die Arme. Seine Rede rührt die ganze Familie. Dieses Ereignis und die Fahrt in die Türkei haben Cenk reifen lassen, selbstbewusster werden lassen und er kann in solchen Situation souverän handeln und sich äußern. Enkel Cenk ehrt seinen Opa richtig und er erhält nach seinem Tod den Respekt, die Anerkennung und Wertschätzung, welcher er verdient hat.
Zu 23)
Alles was wir erleben, beeinflusst und prägt uns. Somit bestehen wir aus allen Momenten unserer Vergangenheit. Sowohl die glücklichen als auch die traurigen, neutralen oder schwierigen Momente haben uns geprägt, wachsen lassen oder sogar verändert. Aus manchen Situationen sind wir entwickelt hervor gegangen. Auch wenn wir tot sind, wird die Welt noch von dem beeinflusst, was wir getan haben, also bleiben wir auch über den Tod bestehen.
In Bezug zu der Rede bei Frau Merkel wäre Deutschland heute nicht so weit aufgebaut und nicht als diese Wirtschaftsnation nach dem zweiten Weltkrieg hervor gegangen, wenn nicht die Arbeitskräfte aus den Anwerberländern eingereist wären. Somit werden sie immer unser Leben weiter prägen, auch wenn sie nicht mehr am Leben sind. Ihnen gebührt unser Dank und unsere Anerkennung, sowie Wertschätzung ihrer Leistung und für sie als Menschen.
Zu 24)
„Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen“ (Max Frisch). Die Arbeitskräfte waren und sind es bis heute als Menschen eine Bereicherung für unser Land. Sie haben sich als Menschen eingebracht und dieses Land mitgeprägt und gestaltet. Ihre Kulturen veränderten durch die Akkulturationsprozesse auch die Aufnahmegesellschaft. Die Arbeitskräfte hatten genau so Sorgen und Freude im Leben, wie die Einheimischen. Zudem sehnten sie sich nach ihren Familien und so zogen diese nach. Deshalb reisten auch die Frauen und Kinder in das Land und die Familien wurden als Menschen ein Teil dieses Landes und nicht nur als Arbeitskraft als Zeit sesshaft. Als Menschen integrierten sie sich in dieses Land und ihre Kinder leben nun schon in den vierten Generationen hier.
Zu 25)
Die Betriebsleitung einer Firma äußert sich über die angeworbenen Arbeitskräfte aus den Anwerberstaaten, dass sie, wenn sie vor die Wahl gestellt werden würden, dann nur noch türkische Facharbeiter holen würden. Zu beginn des Films sagte derselbe Mann, dass die türkischstämmigen Arbeitskräfte nur angeworben wurden, weil nicht genug Personen aus Italien und Spanien angereist sind. Leider erfahren wir nicht, was seine Ansichten so verändert hat. Aber er muss sehr zufrieden mit den türkischen Fachkräften sein, welche er zu Beginn nicht so gerne wollte. Daran erkennt man, wie wichtig es ist, sich erst zu begegnen, sich kennenzulernen und die Arbeitskräfte ihre Leistung erbringen zu lassen, ohne dass Vorurteile dies verhindern oder blockieren.
Zu 26)
Enkel Cenk schenkt der Lehrerin die Karte der Türkei, da sein Heimatdorf auf der europäischen Karte nicht drauf war, wurde er einfach auf die Tafel gesetzt. Mit Blickkontakt bittet er die Lehrerin diese Karte aufzuhängen und sie stellt ihn zu seinem Heimatdorf. „Jetzt können sie sehen, dass die Türkei ein viel größeres Land ist.“ Der Junge, welcher vorher meinte, dass er aus Istanbul ist, gesteht nun, dass er auch aus Anatolien ist. Die Lehrerin stellt ihn zu Cenk und beide lächeln sich an. Durch Cenk findet auch er den Mut zu erzählen, aus welcher Gegend er wirklich abstammt. Cenk klärt die schlechte Situation von vorher zwischen ihm und der Lehrkraft und beide können sich neu begegnen. Er macht dies sehr souverän und freundlich. Eigentlich war dies ihre Aufgabe. Der kleine Junge schafft damit ein neuen Begegnungsrahmen mit Vertrauen und ist selbständig in der Lage solche Situationen zu lösen. Die beiden Jungs freunden sich durch dieses gemeinsame Ereignis an und der andere Junge empfindet Respekt vor Enkel Cenk. Cenk steht nach der Türkeireise zu seiner Identität. Er weiß jetzt alles über seine Großeltern, Eltern und sich selbst. Dies festigt seine Identität. Gleichzeitig wird seine Integration gefördert. Es gelingt ihm die türkische Kultur kennenzulernen und in sich zu festigen, aber auch gleichzeitig kann er sich besser in Deutschland integrieren und fühlt sich daher mehr zu Hause und angekommen. Ab jetzt ist er ein Teil Deutschlands und weiß genau wo seine Wurzeln liegen. Und er wurde von Frau Merkel in den Arm genommen. Halt ein richtiger Deutscher, aber mit türkischen Wurzeln.
Zu 27)
Opa Hüseyn und Oma haben die Integration als Akkulturationseinstellung für sich gewählt. Sie nehmen sogar die deutsche Staatsangehörigkeit an, aber gleichzeitig ist die türkische Heimatkultur sehr wichtig für ihn. So zieht es ihn immer wieder in die Heimat, um sich diese Kultur zurückzuholen, wenn er Angst hat, dass diese verloren geht.
Über den großen und kleinen Sohn erfährt der Zuschauer nicht so viel, aber sie scheinen auch die Integration gewählt zu haben.
Die Tochter hat die Integration gewählt und schenkt ihrer Tochter alle Freiheiten, welche auch studiert.
Der kleinste Sohn, welcher auch in Deutschland geboren wurde, hat die Integration gewählt und ist mit einer deutschen Frau verheiratet.
Die Enkeltochter hat die Integration gewählt, studiert und führt eine Liebesbeziehung mit einem Engländer.
Der kleinste Enkel Cenk weiß nicht genau wo er hingehört und meint, am Anfang, dass nur das eine möglich ist oder das andere. Beides würde nicht gehen. Durch die Schulerfahrungen wäre seine Wahl die Assimilation. Doch dank seiner Familie, der biografischen Erzählung und der Fahrt in die Türkei lernt er die türkische Kultur kennen und versteht es ab da an diese mit der deutschen zu vereinen. Durch diesen Wechsel zur Integration wird er glücklicher und selbstbewusster. Ab jetzt weiß er, wer er ist und woher er abstammt. Vor allem aber weiß er, wie großartig sein Opa war und was er alles für die Familie geleistet hat. Denn alles was die Familie hat, haben sie seinem Opa zu verdanken. Es war seine Arbeitsleistung, welche ihn hierherführte und weshalb sie hier dieses Leben führen. Sie werden ihm immer dafür danken, ihn ehren und lieben.
Danach sollte das Rucksackmodell von verschiedenen Kulturen angestrebt werden. Jeder Mensch hat seinen eigenen Rucksack gepackt und dort befindet sich alle Werte, Normen und Traditionen aller kulturellen Einflüsse seiner Herkunft und seines Lebens. Die Schülerinnen und Schüler sollen ihren eigenen Rucksack packen. Dafür eignet es sich ihnen die Hausaufgabe zu geben, dass sie alle Gegenstände mitbringen sollen, welche sie mit der kulturellen Prägung ihres Lebens verbinden. Das kann das Herkunftsland der Eltern oder Großeltern, die Urlaube in anderen Ländern, der Freundeskreis oder die Nachbarschaft sein. Welche Kultur prägt sie am meisten? Berichten Sie über ihre mitgebrachten Gegenstände. Hierbei eignet es sich in den Stuhlkreis zu setzen, da alle die Gegenstände sehen können und sich beim Erzählen auch ins Gesicht schauen können (vgl. IKUD-Rucksackmodell).
Im folgenden Unterrichtsverlauf sollten Rollenspiele durchgeführt werden. Es werden verschieden Gruppen eingeteilt, welche die einzelnen Rollen vorbereiten. Danach wird die vorbereitete Szene vorgeführt und alle anderen Schülerinnen und Schüler schauen zu. Danach wird die jeweilig übernommene Rolle und Szene besprochen. Die Schülerinnen und Schüler, welche zuschauen, erhalten Perspektiven, unter welchen Sie die Rolle und Szene analysieren sollen.
Mögliche Rollenspiele wären:
- Deutscher Unternehmer möchte in Dubai Geschäftsbeziehungen knüpfen
- Politikerin bei einem Treffen in China
- Gesundheitsminister Meeting zu Corona in Südafrika
- Deutscher Architekt bei den neuesten Bauten in Singapur
Der Kreativität kann hier freien Lauf gelassen werden.
Beobachtungs-Perspektiven zu den Rollenspielen
- Welche kulturellen Unterschiede gibt es?
- Können die kulturellen Verhaltensweisen, Werte und Normen erlernt und umgesetzt werden?
- Wie wichtig ist es für den geschäftlichen Abschluss eine ausgebildete Interkulturelle Kompetenz aufzuweisen?
- Was ändert sich in der Kommunikation durch die interkulturelle Kompetenz?
Abschließend sollten Sie mit den Teilnehmenden reflektieren, wie Sie die Übungen zur Interkulturellen Kompetenzvermittlung erlebt haben und was sich bei ihrer Einstellung und dem Verhalten geändert hat. Hat sich die Atmosphäre in der Klasse oder der Gruppe verändert?
Quellen
Film: Almanya - Willkommen in Deutschland
IKUD-Rucksackmodel. Rucksackmodell von Kultur. Verfügbar unter: https://www.ikud-seminare.de/glossar/rucksackmodell-von-kultur.html
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Die Bedeutung der Geschichte der Kindheit,
in Bezug zur Mutterliebe und später auch zur Vaterliebe,
sowie der Bildung
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stand die Gleichgültigkeit der Mütter zu den Kindern im Vordergrund, da wegen der hohen Kindersterblichkeit keine Beziehung aufgebaut wurde, aus Angst an der Trauer selbst zu zerbrechen, sollte der Tod des Kindes einsetzen. Es gibt Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert, welche die Bäuerinnen von Montaillon darstellen, wie diese ihre Kinder in den Armen halten und weinen. Dies deutet daraufhin, dass die Mutterliebe auch zu dieser Zeit empfunden wurde und sich nicht erst im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte. Es gab aber auch gerade zu dieser Zeit Frauen, denen Kindererziehung lästig war und das gesellschaftliche Leben im Vordergrund stand. Diese Mütter wollten sich von der Last befreien. Was keinen Skandal verursachte. Nur einige Männer aus der Theologie und in intellektuellen Kreisen äußerten sich kritisch dazu. Alle anderen Berichterstattungen empfinden das Vorgehen dieser Mütter als normal. Somit wurde nach Ariès in diesen Jahrhunderten der Mutterliebe und Vaterliebe kein Wert in moralischem oder sozialem Sinne beigemessen. Leider starben die Kinder auch daran, dass die Mütter sich nicht für sie interessierten. So blieben auch einige Eltern bei der Beerdigung ihrer Kinder fern. Wenn das Kind bei der Pflegemutter aufwuchs, erfuhren die Eltern erst spät vom Tod. In der damaligen Zeit wurde es als seltsam registriert, wenn Eltern, um ihr Kind trauerten. In der heutigen Zeit hingegen hinterlässt der Tod des eigenen Kindes eine unfassbare Trauer bei den Eltern, der Familie und der gesamten Gesellschaft. Damals war der Tod der Kinder ein alltägliches Thema, da die Sterberate in Frankreich von 1740 bis 1749 bei 27,5 Prozent lag. Im Alter von einem Monat bis ein Jahr sterben die Kinder am meisten. Im 18. Jahrhundert gab es einen Anstieg der Waisenkinder, deren Situation war am Schrecklisten. Die unehelichen Kinder sterben in höherer Anzahl als die ehelichen Kinder. Bevor die Kinder ihr zweites Lebensalter erreichten, starben im 2 18. Jahrhundert 90 Prozent der Kinder beim Hospital von Ronen, 84 Prozent bei Paris und 50 Prozent in Marseille (vgl. Badinter, 1981). Der Stellenwert einer Tochter war geringer als der eines Sohnes, denn bei einer Verheiratung musste eine Mitgift gezahlt werden. Wenn es zu keiner Hochzeit kam, weil das Geld nicht aufgebracht werden konnte, musste die Tochter an ein Kloster gegeben werden, was auch bezahlt werden musste, oder als Dienerin im eigenen Haus behalten werden oder bei Fremden als Dienerin arbeiten lassen. Dem Erstgeborenem, der auch der Alleinerbe ist, gebührt alles der Familie. Die jüngeren Kinder wurden sehr viel strenger erzogen, um sie auf das Leben vorzubereiten. Der Erstgeborene bleibt bei der Mutter, während die andern Kinder bei der Amme in Pflege unterkommen (vgl. Badinter, 1981). Zu dieser Zeit stillten die Frauen ihre Kinder nicht, da es als nicht schicklich galt und es sie langweilte. Außerdem möchten die Frauen ihre Schönheit nicht verlieren und verbringen Ihre Zeit eher bei gesellschaftlichen Anlässen oder im Theater. Frauen der höheren Gesellschaft stillten ihre Kinder nicht selbst. Mitte des 18. Jahrhunderts waren die französischen Frauen, die ersten, welche ihre ehelichen Kinder zu einer Amme gaben. So lebten diese Aristokratinnen ohne ihre Kinder. Für mütterliche Vorsorge gab es keine Anerkennung, sondern nur für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Die Bäuerin hingegen stillten weiter ihre Kinder und versorgte diese (vgl. Badinter, 1981). Durch Madame d’Epinay, welche eine Anhängerin Rousseaus war, wurde die Rolle der Frau neu definiert, nämlich in Form der Mutterrolle. Sie veröffentlichte im Juni 1756 die Briefe, welche sie an ihren Sohn verfasste im Mercure de France (vgl. Badinter, 1981). Die Elternerziehung im 17. und 18. Jahrhundert gleicht beim Bürgertum und der Aristokratie dahingegen, dass das Kind direkt nach der Geburt der Amme in Pflege gegeben wird, danach wieder im Elternhaus aufwächst und dann ein Kloster oder Pensionat besucht. Dadurch findet höchstens eine Erziehungszeit von 5 bis 6 Jahren im eigenen Elternhaus statt. Aber auch hier bedeutet es nicht, dass die Eltern die Erziehung oder Fürsorge übernehmen. Das Kind aus diesen Jahrhunderten wuchs emotional verwahrlost auf. Der Herzog von Burgund konnte im Jahr 1682, genauso wie Marie-Antoinette, die Amme, in Beratung mit einem Arzt aussuchen. Die nicht so hochgestellten Familien mussten auf Vermittlerinnen zurückgreifen oder zufällig eine Frau finden, welche die Aufgabe einer Amme übernimmt, dies teilte der Polizeileutnant 3 von Lyon mit. Das Vermittlungsbüro bekam erst im Jahr 1715 eine Reglementierung. Vorher waren die Namen und ihr Wohnsitz der Ammen nicht notiert. Die Eltern wissen nicht bei welcher Amme ihre Kinder sind. Wenn die Vermittlerin stirbt, sind mit ihr alle Daten zu den Kindern verschwunden und für die Eltern kaum zu finden. Auch hier zeigt sich, dass die Kinder in Obhut von Frauen waren, welche nicht nach Sorgfalts- oder Erziehungsmaßstäben ausgewählt wurden. Viele Kinder starben schon bei der Reise oder an den hygienischen Umständen vor Ort. Im Jahr 1773 wird durch die Polizeiverordnung bekannt gegeben, dass der Wagen mit frischem Stroh bedeckt sein muss und mit einer Plane abgedeckt sein muss, wenn mit dem Wagen Kinder transportiert werden. Dafür war eine relative Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegen über des Todes der Kinder, welche vom Wagen fielen, und vom Rad überrollt wurden. Der Ruf der Ammen war sehr schlecht, denn die Moralisten bezeichneten diese, als faul, geldgierig, nicht gebildet, dass sie versündigt wären und unter Krankheiten litten. Einige Ammen lassen die Kinder allein festgebunden zurück, während diese auf den Feldern arbeiten. Dadurch starben viele Kinder an einem Erstickungstod. Auch die Milch der Ammen ist nicht gesund und so verstarben viele Kinder an Krankheiten. Auch die spätere Ernährung machte die Kinder krank. Dazu gaben Sie den Kindern noch Narkotika zum Schlafen, um ihre Ruhe zu haben. Die Apotheken gaben diese Mittel einfach heraus, leider verstarben auch viele Kinder daran. Auch das Schlafstroh und die Kleidung wurde nicht gewechselt, was auch zum Tode führte. Wenn die Kinder diese Zeit überleben, dann bleiben sie vier Jahre bei der Amme. Leider erhalten viele Eltern ihr Kind krank, behindert oder missgebildet zurück. Darüber reagieren die Eltern sehr erbost, da das Kind ab jetzt sehr viel Geld kosten wird. Das erboste Sie mehr, als wenn der Tod des Kindes bekannt gegeben wurde. Die Kinder, welche in das Elternhaus zurückkehrten, blieben ungefähr vier bis fünf Jahre dort. Die höher gestellten Familien reichen ihre Kinder weiter an die Gouvernante, bis es sieben Jahre alt ist. Danach werden die Jungen von einem Hauslehrer unterrichtet. Zu dieser Zeit waren führsorgliche Mütter sehr selten. Bis zum 17 Jahrhundert gingen die Kinder als Hausdiener oder Lehrlinge zu den Nachbarn. In dieser Zeit werden immer mehr Jungen und Mädchenschulen eröffnet. Wobei die Mädchen an Klosterschulen waren und im Anschluss direkt verheiratet wurden. Die Internate bezeichnet Ariès als Einsperrungsort für Kinder. Diese Änderung der Schulzeit galt der Moralisierung der Menschen. Dadurch änderte sich auch die Bedeutung der Erziehung durch die Eltern und ihre Zuneigung und Einstellung zu ihren Kindern. Gerade das Bürgertum versuchte über den Wissenserwerb unter sozialen Gesichtspunkten aufzusteigen. Natürlich waren die Kinder in der Schule beaufsichtigt und die Eltern brauchten sich nicht um diese kümmern (vgl. Badinter, 1981).
In der Zeit der Industrialisierung änderte sich das Familienbild von der Großfamilie zur Kleinfamilie in der Stadt.
Durch die Schulen und die Betreuungsangebote der Kinder bekam der Staat immer mehr Einfluss auf die Erziehung der Kinder und somit die Familien. Dies wird in der Beschreibung von Foucault zur Disziplinargesellschaft deutlich. Nicht mehr das Ausschließen und das Einsperren stand im Vordergrund, sondern die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Aus diesem Grund wurden im 18. Jahrhundert die Disziplinarinstitutionen ausgebaut (vgl. Foucault, 1976: 271- 273). Es entwickelte sich eine neue Ökonomie der Lernzeit und der Schulraum wurde zu einer „Lern-, Überwachungs-, Hierarchisierungs- und Belohnungsmaschine“ umgewandelt (vgl. Foucault, 1976: 188-189).
In der Zeit des Nationalsozialismus änderte sich die Bedeutung der Mutterschaft für den Staat und somit für die Gesellschaft. So wurde 1933 der Muttertag von den Nationalsozialisten als Feiertag eingeführt. Bei der Geburt des vierten und jeden weiteren Kindes erhielten die Mütter das Mutterkreuz als Ehre überreicht. So dass bis 1945 fünf Millionen Frauen dieses Mutterkreuz verliehen bekamen. Unter dem Frauen Netzwerken, wie die „NS-Frauenschaft“ oder der „Reichsmütterdienst“ wurden 1934 Mütterschulen gegründet. Die Rolle der Frau im Nationalsozialismus wird mit dem Zitat von Hitler deutlich: „Die Welt der Frau ist, wenn sie glücklich ist, die Familie, ihr Mann, ihre Kinder, ihr Heim. Von hier aus öffnet sich dann ihr Bild für das große Gesamte“ (zitiert nach Graw, 2003 vgl. NS-Frauenwarte (NFW) 5 (1936 / 37), Oktober 1936, S. 265). Die Hautaufgabe der Frauen war Kinder auf die Welt zu bringen und dafür gab es von den Nationalsozialisten ein Ehedarlehen. Durch die Kinder wurde das Bestehen des deutschen Staates gesichert. Materielle Unterstützung erhielten die Frauen von dem Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900-1945) durch den Lebensborn e.V. 1935. Im Jahr wurde diese Unterstützung an 600 000 schwangere Frauen ausgegeben. Zusätzlich wurden alle Sexualberatungsstellen geschlossen und der Staats minderte die Möglichkeit Verhütungsmittel zu erwerben. So wurde die Mutterrolle vom Staat verlangt und galt als Pflicht der Frauen. Schwierig war die Situation in der Gesellschaft für Ehepartner, welche keine Kinder bekommen konnten (vgl. Graw, 2003). Durch den Verein Lebensborn konnten auch unverheiratete Frauen dort ihre Kinder gebären. Die unehelichen Kinder wurden dann an die SS-Familien vermittelt. Zwar hatte die Mutter die Erziehungsaufgabe, aber dabei ging es nicht darum eine Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen. Wenn Kinder schrien, sollte die Mutter den Wunsch der Kinder nicht entsprechen. „Ziel war, typisch deutsche Mädchen und Jungen zu formen: Hart, gehorsam, stark und zuverlässig“ (Winter, 2020). Zu dieser Zeit gab es auch Kindergärten. Bei Hitler war die Schule eine Vorbereitung zum Wehrdienst. Nach der Schule waren die Kinder verpflichtet Vereinen beizutreten, welche weiter die nationalsozialistischen Grundsätze an sie vermittelten, aber in Form von Propaganda. Die Mädchen wurden 1936 in dem Bund deutscher Mädel auf ihre Mutterrolle vorbereitet und die Jungs wurden in der Hitlerjugend zu stählernen Soldaten erzogen. Religion oder wissenschaftliche Erziehung wurde außer Acht gelassen. Das wichtigste Schulfach war der Sportunterricht, da die Schüler zu Soldaten trainiert werden sollten. In der Schülerzeitschrift „Hilf mit!“, welche in den Jahren 1933 bis 1944 verlegt wurde, war der erste Weltkrieg als Abenteuer und Heldengeschichte verfasst. Weitere Themen waren die Ahnenforschung, Rassenlehre, germanische Frühgeschichte und Gesundheitserziehung. Ab 1939 wurde die Schulpflicht für Jungs um zwei Jahre verkürzt, aber dafür nahmen sie an zwei Offiziersjahrgängen teil (vgl. Winter, 2020). In dieser Zeit ist die Mutterrolle sehr bedeutsam für den Staat und wird auch als Pflicht eingeführt. Doch die liebevolle Beziehung zwischen Kind und Eltern wird auch hier nicht gelebt, da das Erziehen zu stählernen Soldaten und die Mutterrolle als Pflicht dem Staat weitere Soldaten zu gebären, im Fokus steht.
Nach dem zweiten Weltkrieg ändert sich die von Hitler vorgegebene Rolle der Frau. Es fehlt der Dank an die Leistungen der „Trümmerfrauen“ aus dem zweiten Weltkrieg. Eigentlich ist der Begriff sehr diskriminierend – besser wäre „Landsaufbaufrauen“. Schließlich waren sie der Halt und die Stütze für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Sind sie das nicht auch bis heute – und nicht nur für Deutschland, sondern für jedes Land auf dieser Welt? Bei Hitler war die Frau eher als Hausfrau zu Hause und sollte viele Kinder auf die Welt bringen. Die Landesaufbaufrauen gingen raus und arbeiteten aktiv mit, um das Land aufzubauen. Dadurch änderte sich ihre Frauenrolle, der Respekt vor Ihnen und die Wertschätzung.
Während in den 70er Jahren sich das Subjekt an den Schulen selbst regulieren sollte, stand in den 80er Jahren die Selbstkontrolle im Vordergrund (vgl. Göhlich, 1993: 92- 93). Die Selbstmotivation, Selbstkontrolle des Subjekts war für die Gesellschaft von Bedeutung und das Lernen sollte selbst entdeckend als Erkenntnisgewinn angeboten werden (vgl. Göhlich, 1993: 99). Um die Problematik der Chancengleichheit in Deutschland zu verbessern, welche PISA im Jahr 2000 bis 2003 offenbarte, wurden die Ganztagsschulen als flächendeckende Bildungsreform ausgebaut. Dies diente auch dazu, dass die Frauen länger arbeiten können und so der Fachkräftemangel angegangen werden kann. Auch hier erhält durch den längeren Verbleib der Kinder bis 16 Uhr an den Schulen der Staat mehr Einfluss auf die Kindererziehung und die Familien (vgl. Vogelsaenger et al. 2006, 13). An einigen Schulen ist der Ganztag verpflichtend und an anderen freiwillig. Durch die Zusammenlegung des Vormittags und nachmittags in die Schulen, findet auch der Freizeitbereich in der Schule statt und die Zeit mit der Familie wird verkürzt. So wird das Thema der sozialen Interaktion unter Freunden und der Erziehungsaspekt für die Schulen noch Bedeutsamer als vor der Gründung der Ganztagsschule (vgl. Rother & Stötzel 2014, 130).„Die Schule versteht sich dabei nicht als Familienersatz, sondern allenfalls als ergänzende Erziehungs- und Sozialisationsinstanz – diese Bildungs- und Erziehungspartnerschaft bedarf einer engen Kooperation, denn nur so kann das erforderliche Vertrauensverhältnis geschaffen und bewahrt werden“ (Dollinger 2014, 51). Somit verbringen die Schüler.innen mehr Zeit an der Schule als zu Hause, denn abends schlafen sie und erleben das Familienleben nicht aktiv und bewusst. In der Schule sind sie von 8:00 bis 16 Uhr, dies sind acht Stunden und gleicht einem Vollzeitjob eines Erwachsenen. Dagegen sind sie wach zu Hause, je nach Schlafenszeit ungefähr vier bis sechs Stunden (vgl. Rödder & Walden 2013, 30f). Einige Kinder und Jugendliche nehmen noch am Vereinsleben in den Abendstunden teil. Nur am Wochenende sind Sie zu Hause oder haben Training, Wettkämpfe oder Auftritte. Das Leben der Kinder und Jugendlichen ist dadurch sehr leistungsorientiert ausgerichtet und es bleiben wenige Stunden des Rückzugs oder der Erholung. Hier stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, dass trotz Aufsichtspflicht des Lehrpersonals, Zeiten des „Alleinseins und der Entspannung“ umgesetzt werden können. Auch die gemeinsame Zeit mit den Eltern oder Geschwistern fällt sehr gering aus.
Quellen
Badinter, E. (1981). Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert
bis heute. München: Piper
Dollinger, Silvia: Ganztagschule neu gestalten. Bausteine für die Schulpraxis.
Weinheim / Basel: Beltz Verlag 2014
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt:
Suhrkamp Verlag 1976
Göhlich, H.D. Michael: Die pädagogische Umgebung. Eine Geschichte des
Schulraums seit dem Mittelalter. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1993
Graw, J. (2023). Die Rolle der Frau im Nationalsozialismus – Vom Mutterkreuz bis
Kriegseinsatz. Verfügbar unter: https://www.geschichte-lernen.net/rolle-der-frau-imnationalsozialismus/
Rödder, Katharina & Walden, Rotraut: Die Interaktion zwischen Mensch und
Schulraum aus psychopädagogischer Perspektive. In: J. Kahlert, K. Nitsche, K. Zierer (Hrsg.): Räume zum Lernen und Lehren. Perspektiven einer zeitgemäßen
Schulraumgestaltung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 2013, S. 23-34
Rother, Pia & Stötzel Janina (2014): Familie, soziale Herkunft und
Bildungsungleichheit. In: Thomas Coelen & Ludwig Stecher (Hrsg.): Die
Ganztagsschule. Eine Einführung. Weinheim u. a.: Beltz Juventa, S. 129–142.
Vogelsaenger, Thomas, Vogelsaenger, Wolfgang & Wilkening, Stephanie (2006): Die
Selbstverantwortliche Schule – eine Antwort auf PISA. In: Sabine Knauer & Anja
Durdel. Die neue Ganztagsschule. Weinheim u. a.: Beltz Verlag, S. 12–2
Winter, S. (2020). Erziehung im Nationalsozialismus: So war die Kindheit damals.
Verfügbar unter: https://praxistipps.focus.de/erziehung-im-nationalsozialismus-sowar-die-kindheit-damals_12563
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Schon im Jahr 1960 wurde öffentlich auf den Bildungsrückstand in Deutschland aufmerksam gemacht. Im Jahr 1964 sprach Georg Picht von einer deutschen Bildungskatastrophe (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 71). Allerdings tauchten 1967 Schüler.innen mit Migrationshintergrund nicht in der bildungspolitischen Debatte auf, obwohl schon zu dieser Zeit 1,8 Millionen Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland lebten. Dies lag daran, dass diese Personen nur als Gastarbeiter gesehen wurden, welche wieder in ihr Herkunftsland zurück gehen würden. Diese Sichtweise hat sich in den siebziger Jahren verändert (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 88). Deutschland wurde vom Gastarbeiterland zum Zuwanderungsland und mittlerweile zum Einwanderungsland (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 89). Auch in der heutigen Zeit gibt es Debatten zum Mangel qualifizierter Mitarbeiter. Die Ursache dafür wird im Bildungssystem gesehen, dass nicht in der Lage sei die Leistungen der Schüler.innen zu fördern und auszuschöpfen (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 71). Bei dieser Debatte rücken auch Schüler.innen mit Migrationshintergrund in den Blickwinkel. Besonders die Ergebnisse der PISA-Studien haben die Aufmerksamkeit auf das gesamte Bildungssystem gelenkt (vgl. Schulze & Soja, 2006, S. 193). Einige glauben, dass die Kinder mit Migrationshintergrund an dem schlechten Abschneiden Deutschlands schuld seien (vgl. Schulze & Soja, 2006, S. 193). Allerdings würde Deutschland nur von Rang 21 auf Rang 19 klettern, wären die Schüler.innen mit Migrationshintergrund bei der Auswertung nicht dabei. Dies macht deutlich, dass die Ursache nicht bei den Schüler.innen mit Migrationshintergrund zu suchen ist, sondern beim deutschen Bildungssystem und ganz direkt in den Schulen (vgl. Schulze & Soja, 2006, S. 193). „Angesichts ‚einer der schwersten Bildungskrisen seit Gründung der Bundesrepublik‘ haben mehr als 90 Gewerkschaften, Bildungsverbände, Eltern- und Schülervertretungen spürbare Investitionen von Bund und Ländern in die Bildung gefordert. ‚Ein enormer und sich vergrößernder Mangel an Lehrer.innen und Erzieher.innen trifft auf ein veraltetes, unterfinanziertes und segregiertes Bildungssystem, das sozial ungerecht ist. Kinder und Jugendliche werden viel zu oft nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet, und notwendige Aufgaben wie Digitalisierung und Inklusion wurden viel zu lange verschlafen‘, so heißt es in einem gemeinsamen Appell, der sich an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) richtet“ (NEWS4TEACHER, 2023). Dramatisch ist, dass in Deutschland jährlich 50 000 Schüler.innen keinen Schulabschluss erreichen. Auch die neuesten Ergebnisse vom IQB-Bildungstrend verdeutlichen, dass die Lese-, Schreib- und Rechenleistung der Schüler.innen sich verschlechtert haben. „‘Der sogenannte ‚Bildungsgipfel‘ vom März 2023 hat wenig zur Lösung der Bildungskrise beigetragen, sondern vor allem die zerrüttete Bund-Länder-Kooperation im Bildungsbereich und das mangelhafte Verständnis von Partizipation auf Seiten der politischen Verantwortlichen offenbart“ (NEWS4TEACHER, 2023). Die PISA-Studien der OECD von 2000 und 2003 zeigten auf, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Chancengleichheit von Schüler.innen in Hinblick zu ihrer sozialen Herkunft und in Bezug zum Bildungsniveau schlecht abschneiden. Durch den PISA-Schock sollte in Deutschland eine Schulreform stattfinden und die Ganztagsschule sollte die Antwort auf die Problematik der Chancengleichheit unterschiedlicher sozialer Schichten in Bezug zu Bildung sein (vgl. Vogelsaenger & Vogelsaenger 2006, 12f; Kielblock & Stecher 2014, 14; Stötzel & Wagener 2014, 53ff, Strenger, 2006, S. 186). Bei den gerade aktuell veröffentlichten PISA-Ergebnissen sieht es für Deutschland noch schlechter aus (vgl. OECD, 2023). Gleiche Bildungschancen sollten ermöglicht werden, da dies die Basis der Integration und Teilhabe am Leben der Aufnahmegesellschaft bedeutet (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 88).
Situation an den Schulen
1960 waren 55 000 Schüler.innen mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen vertreten. Diese Anzahl stieg bis 1982 auf 857 000 (vgl. Nauck, 1994, S. 112). Im Schuljahr 1987/1988 hatten 12 Prozent aller Schüler.innen an allgemeinbildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland einen Migrationshintergrund. Somit waren 707 600 Schüler.innen mit Migrationshintergrund vertreten. Davon kamen 81 Prozent der Schüler.innen aus Anwerberländern. Mit 48,7 Prozent machten die türkischstämmigen Schüler.innen die größte Gruppe aus, gefolgt von 13,1 Prozent aus Jugoslawien, 10,0 Prozent aus Italien, 5,3 Prozent aus Griechenland, 2,5 Prozent aus Spanien und 1,6 Prozent aus Portugal stammend (vgl. Nauck, 1994, S. 112). Aufgrund des höheren Anteils von Schüler.innen mit türkischem Migrationshintergrund an deutschen Schulen liegt bei ihnen das besondere Interesse der Bildungsforschung (vgl. Nauck, 1994, S. 112). 2003 besuchten ca. eine Million Schüler.innen mit Migrationshintergrund allgemeinbildende Schulen in Deutschland. Damit ist ihr Anteil von 1,8 Prozent im Jahr 1970 auf 10 Prozent angestiegen. Der Prozentsatz an deutschen Grundschulen liegt bei 12 Prozent (vgl. Berger & Kahler, 2005, S. 89). Nach dem Mikrozensus hatten 2008 27 Prozent der fünfzehnjährigen Personen einen Migrationshintergrund (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 214). Die Mehrzahl der Schüler.innen in Deutschland gehören der zweiten Generation an und sind somit in Deutschland geboren (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 214). Der Anteil der zweiten Generation ist in Deutschland gestiegen, während der Anteil der ersten Generation gesunken ist (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 224-225). Der Anteil der Schüler.innen mit einem Elternteil, welches im Ausland geboren ist, nimmt zu (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 214).
Auch der Zuwachs von Schüler.innen mit Migrationshintergrund hängt von der Schulart ab. Zwischen 1975 und 1987 stieg die Anzahl der Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Grund- und Hauptschulen um 2,6 Prozent, an Sonderschulen um 4,5 Prozent und bei Abendschulen und Kollegs um 3,5 Prozent (vgl. Nauck, 1994, S. 113). Können die Schulplätze an weiterführenden Schulen nicht von Schüler.innen ohne Migrationshintergrund vollständig besetzt werden, bekommen Schüler.innen mit Migrationshintergrund diese Schulplätze. Nauck spricht in diesem Zusammenhang von „… einer Reservearmee des weiterführenden Bildungssystems …“ (1994, S. 113). Im Schuljahr 1987/88 waren 11,7 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Grundschulen, 17,8 Prozent an Hauptschulen, 6,5 Prozent an Realschulen und 4,0 Prozent an Gymnasien vertreten (vgl. Nauck, 1994, S. 112-113). 1998 waren 37 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Grundschulen, 63 Prozent an Hauptschulen und 49 Prozent an Sonderschulen vertreten (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 90). Die Anzahl der Bildungsabschlüsse von Schüler.innen mit Migrationshintergrund sind in den letzten Jahren gestiegen. 16,7 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund verließen im Jahr 2000 die Hauptschule ohne Schulabschluss. Im Jahr 1980 waren es noch 30 Prozent (vgl. Schulze & Soja, 2006, S. 194-195). 20 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss, während 20 Prozent der Schüler.innen ohne Migrationshintergrund die Hauptschule mit Abschluss verlassen (vgl. Diefenbach, 2010, S. 226). Mittlerweile hat der Anteil von Schüler.innen mit Migrationshintergrund mit Hauptschulabschluss abgenommen, während der Anteil von Schüler.innen mit Migrationshintergrund mit höherwertigen Schulabschlüssen zugenommen hat. Allerdings bleiben die 20 Prozent der Schüler.innen, welche die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen konstant (vgl. Diefenbach, 2010, S. 226).
Von 100 Schüler.innen mit Migrationshintergrund bleiben nur 77 auf dem Gymnasium, während es bei den Schüler.innen ohne Migrationshintergrund 83 sind. 73 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund bleiben auf der Realschule, während es bei den Schüler.innen ohne Migrationshintergrund 84 Prozent sind (vgl. Rodriguez & Dohmen, 2010, S. 295).
Bei Gesamtschulen ist eine ständig steigende Anzahl von Schüler.innen mit Migrationshintergrund zu verzeichnen (vgl. Nauck, 1994, S. 114). Schüler.innen mit Migrationshintergrund schließen häufiger die (Fach-) Hochschulreife an Gesamtschulen und Berufskollegs ab, denn an Gymnasien sind sie unterrepräsentiert (vgl. Schulze & Soja, 2006, S. 201). Zwischen den Jahren 1990 und 2000 haben Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Gesamtschulen im Durchschnitt 4,25 Prozent mehr die Fachhochschulreife oder das Abitur abgeschlossen als Schüler.innen mit Migrationshintergrund im dreigliedrigen Schulsystem. 11,05 Prozent mehr den Realschulabschluss und 10,03 Prozent weniger den Hauptschulabschluss. 5 Prozent weniger Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Gesamtschulen verlassen diese ohne Hauptschulabschluss als Schüler.innen mit Migrationshintergrund im dreigliedrigen Schulsystem. Somit erreichen Schüler.innen mit Migrationshintergrund höhere Bildungsabschlüsse an der Gesamtschule (vgl. Diefenbach, 2010, S. 234). Schüler.innen mit Migrationshintergrund sind doppelt so oft an Förderschulen vertreten als Schüler.innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Diefenbach, 2010, S. 226).
Auffallend ist auch, dass in Ballungsräumen und Großstädten 80 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Grund- und Hauptschulen zu finden sind und nur 5 Prozent an anderen Schularten vertreten sind, diese 5 Prozent stammen aus Familien mit höherem sozialen Status (vgl. Nauck, 1994, S. 114).
Eingebürgerte Jugendliche befinden sich zwischen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund und Jugendlichen, welche nicht eingebürgert sind. Somit sind die Bildungschancen eingebürgerter Jugendlicher besser als von nicht eingebürgerten Jugendlichen (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 90).
Die weiblichen Schülerinnen haben die männlichen Schüler in ihren Schulleistungen überholt. Dies betrifft sowohl Schüler mit Migrationshintergrund als auch Schüler ohne Migrationshintergrund (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 94). Jungen mit Migrationshintergrund sind häufiger an Hauptschulen zu finden als Mädchen mit Migrationshintergrund. Mädchen mit Migrationshintergrund erhalten häufiger höher qualifizierte Schulabschlüsse als Jungen mit Migrationshintergrund (vgl. Diefenbach, 2010, S. 226). „Der Wandel der Chancenstruktur lässt sich wie folgt zuspitzen: Die Kumulation der mehrdimensionalen Benachteiligungen hat sich von der Arbeitertochter zum Migrantensohn aus bildungsschwachen Familien verschoben“ (Berger & Kahlert, 2005, S. 95).
Die Chancenungleichheit zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund zeigen ganz deutlich die Schulabschlussquoten (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 90).
Die Pädagogik hat die Entwicklung von der Ausländerpolitik, bei der die Schüler.innen mit Migrationshintergrund erst gar nicht in der Schulstatistik aufgeführt wurden, und dann als Ausländer wahrgenommen wurden, welche wieder in ihr Heimatland zurückkehren würden, zu einem Umgang in der Bildung durchlaufen, indem sie als Schüler.innen mit Migrationshintergrund benannt sind, welche in Deutschland bleiben und schon mehrere Jahre über Generationen hier leben, bis hin zur Interkulturellen Bildung und letztlich zum Diversity Management.
Als abschließende Fragen sollten Sie noch Folgendes bedenken:
- Was sollte sich interkulturell an Schulen verändern?
- Wie könnte die Bildung chancengerechter gestaltet werden?
Kompetenzunterschiede
Die Ergebnisse von den PISA-Studien haben die Bedeutung der Lesekompetenz ins Interesse gerückt, denn diese beeinflusst auch die Leistungen in Mathematik und den Naturwissenschaften. Zudem ist die Lesekompetenz die Ursache dafür, dass Schüler.innen mit Migrationshintergrund fast dreimal so häufig die Klassen wiederholen müssen als Schüler.innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 93). Allerdings ist in Deutschland ein Anstieg der Lesekompetenz von PISA 2000 bis PISA 2009 bei Schüler.innen mit Migrationshintergrund in der ersten Generation mit 33 Punkten, der zweiten Generation mit 24 Punkten und für Jugendliche, bei denen ein Elternteil im Ausland geboren wurde mit 8 Punkten zu erkennen (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 212). Die größten Kompetenzunterschiede wiesen Schüler.innen mit einem türkischen Migrationshintergrund auf (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 223). So liegt der Kompetenznachteil der ersten Generation bei 109 Punkten und bei der zweiten Generation bei 94 Punkten (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 223). Schüler.innen mit türkischem Migrationshintergrund liegen bei der Lesekompetenz zwei Schuljahre hinter den Schüler.innen ohne Migrationshintergrund und dies auch dann noch, wenn sie selbst in Deutschland geboren sind (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 223). Wenn nur ein Elternteil in der Türkei geboren ist, liegt der Kompetenznachteil bei 51 Punkten, dies ist immer noch sehr hoch (vgl. Stanat, Rauch & Segeritz, 2010, S. 223).
Bei der PISA 2000-Erhebung wurde deutlich, dass bei 20 Prozent Schüler.innen mit Migrationshintergrund an einer Schule, welche als Umgangssprache nicht Deutsch sprechen, sich die Leseleistungen verschlechtern. Wird die Anzahl der Schüler.innen mit Migrationshintergrund erhöht gibt es keine weitere Verschlechterung der Leseleistung (vgl. Diefenbach, 2010, S. 236). Ein hoher Anteil von Schüler.innen mit Migrationshintergrund in einer Schulklasse hat einen negativen Effekt auf die Schulleistung. Allerdings löst weniger der Migrationshintergrund diesen Effekt aus als vielmehr der sozioökonomische Hintergrund (vgl. Stanat & Edele, 2011, S. 188). Ein hoher Anteil von Schüler.innen mit Migrationshintergrund in einer Schulklasse hat keinen Einfluss auf das Lernen und den Schulabschluss. Denn die Leseleistung von Schüler.innen mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund hängt nicht vom Anteil der Schüler.innen mit Migrationshintergrund ab (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 94).
Unterschiede in den Bundesländern
Die Ergebnisse der Schulstatistiken „… verhalten sich geradezu spiegelverkehrt zu denen der PISA-Studie“ (Hunger & Thränhardt, 2006, S. 57). Die Schulstatistik gibt Informationen zu den besuchten Schulformen und den Schulabschlüssen, welche die Schüler.innen erreichen. Das Fachwissen und die Kompetenzen der Schüler.innen werden in der Schulstatistik nicht thematisiert (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 57). Allerdings ist die Schulform, welche besucht wird und der Schulabschluss, welcher erreicht wird, viel wichtiger, da hiermit auch das Berufsleben der Schüler.innen mit Migrationshintergrund bestimmt wird (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 59).
Bei den Kompetenztests in PISA 2000 schneiden Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am besten ab, während diese Bundesländer in der Schulstatistik in Bezug auf Anteil der Schüler.innen mit Migrationshintergrund auf höher qualifizierten Schulen und erreichte Schulabschlüsse schlecht abschneiden (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 57). In Bayern und Rheinland-Pfalz besucht ein hoher Anteil von Schüler.innen mit Migrationshintergrund die Förderschule. Zudem gehen in diesen beiden Bundesländern die meisten Schüler.innen mit Migrationshintergrund ohne Schulabschluss von der Schule (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 61). In Niedersachsen, Berlin, Rheinland-Pfalz und Bayern verlassen jede/r vierte bis fünfte Schüler.innen mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 59). Auf weiterführenden Schulen finden sich in Bayern und Rheinland-Pfalz die wenigsten Schüler.innen mit Migrationshintergrund (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 61). In Bayern und Rheinland-Pfalz gibt es die meisten Hauptschulabschlüsse (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 60). In Bayern gibt es sogar Nationalklassen, in denen die Schüler.innen mit Migrationshintergrund in ihrer Herkunftssprache unterrichtet werden. Es gibt keine Sprachförderung im Deutschen, da das Ziel die Rückkehrförderung ist. Diese Nationalklassen sollen abgeschafft werden (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 63). Nach PISA 2000 sind in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 60 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund an unteren Bildungsgängen zu finden (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 55-57). In Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland sind es nur 30-50 Prozent. Bremen hat bei PISA schlecht abgeschnitten und Nordrhein-Westfallen lag in der Mitte (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 61). Allerdings verlässt in Nordrhein-Westfalen hingegen nur jede/r zehnte Schüler.in mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 59-60). Nordrhein-Westfalen weist die meisten weiterführenden Schulabschlüsse, wie Fachoberschulreife und Hochschulreife, auf. Dies ist auch bei Bremen zu beobachten (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 60). Durch die Ergebnisse der Schulstatistik wird deutlich, dass es in Bayern für Schüler.innen mit Migrationshintergrund eine geringere Chance gibt einen weiterführenden Schulabschluss zu erreichen als für Schüler.innen mit Migrationshintergrund in Nordrhein-Westfalen (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 60-61).
Die Förderschule besuchten im Jahr 2002 15,47 Prozent der Schüler.innen mit Migrationshintergrund in Niedersachsen, 13,68 Prozent in Baden-Württemberg, 12,46 Prozent im Saarland und in Berlin nur 5,99 Prozent (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 59). „Dies sagt auch schon etwas über die Qualität der Aussagen der PISA-Studien aus, in der Sonderschulen für den Vergleich von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund ja ausgeschlossen wurden“ (Hunger & Thränhardt, 2006, S. 59).
Zwischen den Jahren 1992 bis 2001 besuchten 14 Prozent Schüler.in mit Migrationshintergrund die Gesamtschulen und 9,9 Prozent Schüler.in ohne Migrationshintergrund. Dies lässt sich aber nicht auf alle Bundesländer verallgemeinern, so gibt es in Berlin, Schleswig-Holstein kaum Unterschiede was die Anzahl zwischen Schüler.innen mit und ohne Migrationshintergrund betrifft. In Bremen sind sogar mehr Schüler.innen ohne Migrationshintergrund als Schüler.innen mit Migrationshintergrund an Gesamtschulen vertreten (vgl. Diefenbach, 2010, S. 234).
Unterschiede nach Herkunftsländern
Es lassen sich aber auch Chancenunterschiede zwischen den einzelnen Ethnien erkennen. Bei den Arbeitsmigranten liegen Kroaten, Slowenier und Spanier an der Spitze. Spanier gelten als die Erfolgsgruppe, allerdings werden diese in den PISA-Studien nicht erwähnt (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 62). Das Mittelfeld bestreiten Griechen, Portugiesen, Tunesier und Bosnier, wobei bei Bosniern auch Kriegsflüchtlinge dazu zählen (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Schlechte Bildungschancen weisen Türken und Marokkaner auf. Noch schlechter sieht es bei den Italienern aus (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Die schlechtesten Bildungschancen haben Schüler.innen, welche aus Serbien-Montenegro stammen, auch hier zählen viele Flüchtlinge, sowie Jugendliche Aussiedler dazu (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Schüler.innen mit einem iranischen oder russischen Migrationshintergrund besuchen häufiger ein Gymnasium als Schüler.innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Berger & Kahlert, 2005, S. 92). Die Bildungsbeteiligung von Schüler.innen mit griechischem und polnischen Migrationshintergrund unterscheiden sich kaum von Schüler.innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Stanat & Edele, 2011, S. 183-184). Japaner, Franzosen und US-Amerikaner sind häufiger an Gymnasien zu finden, wobei diese Länder auch ihre eigenen Schulen in deutschen Städten haben (vgl. Nauck, 1994, S. 113). Während 3,1 Prozent der Schüler.innen mit griechischem Migrationshintergrund eine Förderschule besuchen, sind es 8,1 Prozent der Schüler.innen mit italienischem Migrationshintergrund (vgl. Nauck, 1994, S. 113-114). Schüler.innen mit italienischem Migrationshintergrund machen den höchsten Prozentsatz an Sonderschulen aus und den niedrigsten an Gymnasien und Realschulen. In manchen Bundesländern gehen bis zu 25 Prozent der Schüler.innen mit italienischem Migrationshintergrund ohne Abschluss von der Schule. Als Grund wird, angeführt, dass es in den 90iger Jahren noch mal einen Einwanderungszuwachs gegeben haben soll und diese Personen noch nicht integriert seien (vgl. Cumani, 2002, S. 2).
Schüler.innen mit türkischem und italienischem Migrationshintergrund haben die schlechtesten Noten, etwas besser im Gegensatz dazu stehen Schüler.innen, welche aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen. Kinder von (Spät-)Aussiedlern haben die besten Noten (vgl. Rodriguez & Dohmen, 2010, S. 299). Wenn in einer Klasse viele Kinder einen Migrationshintergrund aufweisen, haben besonders Schüler.innen mit einem türkischen und italienischen Migrationshintergrund geringe Chancen eine Empfehlung von Seiten der Grundschule für das Gymnasium oder die Realschule zu erhalten (vgl. Diefenbach, 2010, S. 236).
Im Jahr 2000 fasste die PISA-Studie Schüler.innen mit griechischem und italienischem Migrationshintergrund zusammen. Laut der Schulstatistik gelten Schüler.innen mit griechischem Migrationshintergrund als positives und Schüler.innen mit italienischem Migrationshintergrund als besonders negatives Beispiel. Da diese Gruppen zusammengeführt wurden, sind diese Unterschiede verwischt wurden (vgl. Hunger & Thränhardt, 2006, S. 62).
Es gibt also Leistungsunterschiede zwischen den Herkunftsgruppen. Allerdings gibt es nicht genug Datenmaterial, um die Ursache dafür zu erklären (vgl. Rodriguez & Dohmen, 2010, S. 290). Hier müssten weitere Studien folgen.
Die größten Einwanderungsgruppen sind die Personen mit türkischem Migrationshintergrund gefolgt von den Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien und dann kommen Personen mit italienischem Migrationshintergrund (vgl. Cumani, 2002, S. 1). Schüle.rinnen mit türkischem und italienischem Migrationshintergrund stammen aus Anwerberländern. Allerdings kann dies keine Begründung für das schlechte Abschneiden im Bildungssystem sein, da auch Schüler.innen mit spanischem und griechischem Migrationshintergrund aus Anwerberländern stammen und diese vergleichbare Schulerfolge, wie Schüler.innen ohne Migrationshintergrund erzielen (vgl. Rodriguez & Dohmen, 2010, S. 299).
Schüler.innen mit türkischem Migrationshintergrund beispielsweise, besitzen eine traditionelle Einstellung zum Lernen und der Schule. Dabei steht die Autorität des Lehrers im Vordergrund und gelernt wird durch Auswendiglernen. Da in dem deutschen Schulsystem eher individualistisch und instrumentell gelehrt und gelernt wird, kann es sein, dass dieser Kontrast Misstrauen und Skepsis gegenüber dem deutschen Schulsystem hervorruft (vgl. Diefenbach, 2010, S. 228). Interessant wäre es auch die internationalen Schulsysteme miteinander zu vergleichen und hier die Ursachen für das Lernen und die Schulleistung zu suchen. Wie sehr unterscheidet sich das türkische vom deutschen und wie sehr das spanische Schulsystem und die dazugehörigen Lehrmetoden. Auch der grammatikalische Aufbau der Herkunftssprache mit der deutschen Sprache sollte hier Berücksichtigung finden. Aber dazu müssten weitere Studien durchgeführt werden.
Bei Faktoren der Integration von Schulbildung, berufliche Qualifizierung, Zugang zu Erwerbsarbeit, berufliche Positionierung und Arbeitslosigkeit schneiden Personen mit italienischem Migrationshintergrund schlecht ab. Betrachtet man aber Faktoren, wie interethnische Heirat und Freundschaften, Aufenthaltsorientierungen und Lebenszufriedenheit liegen die positiven Werte bei Personen mit italienischem Migrationshintergrund hoch (vgl. Cumani, 2002, S. 1).
Allerdings unterscheiden sich Personen mit Migrationshintergrund auch in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund je nach Herkunftsland. Familien mit türkischem Migrationshintergrund haben den niedrigsten Bildungsstatus und eine niedrige berufliche Stellung (vgl. Wunderlich, 2009). Personen mit einem polnischen Migrationshintergrund hingegen liegen beim Einkommen nur leicht unter dem Durchschnitt (vgl. Wunderlich, 2009).
Quellen
Berger P.A. & Kahlert H. (2005). Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert. Weinheim: Juventa Verlag.
Cumani C. (2002). Italiener in Deutschland. Verfügbar unter: http://www.italianieuropei.de/ds/comunicati/20020206fes.html
Diefenbach H. (2010). Bildungschancen und Bildungs(miss)erfolg von ausländischen Schülern oder Schülern aus Migrantenfamilien im System schulischer Bildung. In R. Becker (Hrsg.), Bildung als Privileg (S. 221-245). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Gomolla M. (2006). Fördern und Fordern allein genügt nicht! Mechanismen institutioneller Diskriminierung von Migrantenkindern im deutschen Schulsystem. In G. Auernheimer (Hrsg.), Schieflagen im Bildungssystem – Die Benachteiligung der Migrantenkinder (S. 87-102). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Hunger U. & Thränhardt D. (2006). Der Bildungserfolg von Einwandererkindern in den westdeutschen Bundesländern. Diskrepanzen zwischen der PISA-Studie und den amtlichen Schulstatistiken. In G. Auernheimer (Hrsg.), Schieflagen im Bildungssystem – Die Benachteiligung der Migrantenkinder (S. 51-70). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Kornmann R. (2006). Die Überrepräsentation ausländischer Kinder und Jugendlicher in Sonderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen. In G. Auernheimer (Hrsg.), Schieflagen im Bildungssystem – Die Benachteiligung der Migrantenkinder (S. 71-85). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Nauck B. (1994). Bildungsverhalten in Migrantenfamilien. In P. Bücher, M. Grundmann & J. Huinink (Hrsg.), Kindliche Lebenswelten, Bildung und innerfamiliale Beziehungen (S. 105-141). München: DJI Verlag Deutsches Jugendinstitut.
NEWS4TEACHER - Das Bildungsmagazin. (2023, Juni). Herr Bundeskanzler, die Bildungskrise gefährdet Deutschlands Zukunft – kümmern Sie sich darum. Verfügbar unter: https://www.news4teachers.de/2023/06/herr-bundeskanzler-die-bildungskrise-gefaehrdet-deutschlands-zukunft-kuemmern-sie-sich-darum/
OECD. (2016). Migrationshintergrund. Schülerleistungen und Einstellungen gegenüber Naturwissenschaften. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1787/9789264267879-11-de
Rodriguez R.R. & Dohmen D. (2010). Ethnisierung von geringer Bildung. In G. Quenzel & Hurrelmann K. (Hrsg.), Bildungsverlierer. Neue Ungleichheiten (S. 289-311). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Schuchart C. & Maaz K. (2007). Bildungsverhalten in institutionellen Kontexten: Schulbesuch und elterliche Bildungsaspiration am Ende der Sekundarstufe I. Kölner Zeitschrift für Soziologie, 59, S. 640-666.
Schulze E. (2006). Verschlungene Bildungspfade. Über die Bildungskarrieren von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. In G. Auernheimer (Hrsg.), Schieflagen im Bildungssystem – Die Benachteiligung der Migrantenkinder (S. 193-205). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Stanat P. & Edele A. (2011). Migration und soziale Ungleichheit. In H. Reinders (Hrsg.), Empirische Bildungsforschung (S. 181-192). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Stanat P., Rauch D., Segeritz M. (2010). Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Verfügbar unter: http://www.PISA_2009_Bilanz_nach_einem_Jahrzehnt.pdf
Vedder P.H. & Horenczyk G. (2006). Akkulturation and the school. In D.L. Sam und J.W. Berry (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Acculturation Psychologie (S. 419-438). Cambridge: Cambridge University Press.
Vogelsaenger, T. W. & Vogelsaenger S. W. (2006). Die Selbstverantwortliche Schule – eine Antwort auf PISA. In: S. Knauer & A. Durdel (Hrsg.), Die neue Ganztagsschule (S. 12-20).
Weinheim & Basel: Beltz Verlag.
Wunderlich H. (2009). Soziale Lage von Familien mit Zuwanderungsgeschichte und Bildungsbeteiligung von Kindern. Verfügbar unter: http://www.familie-in-nrw.de/1878.0.html#6308763c5d0d265a0eb0b4c444dbd816
noch in Bearbeitung
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Aktuell haben wir in Deutschland die größte Bildungskrise nach dem zweiten Weltkrieg. 50 000 Schüler.innen verlassen in Deutschland jährlich die Schule ohne Abschluss (vgl. NEWS4TEACHER, 2023). Die Ergebnisse von PISA haben deutlich gezeigt, dass erhebliche Defizite in dem Bereich vorliegen (vgl. OECD, 2023; Vogelsaenger & Vogelsaenger 2006, 13; Kielblock & Stecher 2014, 14; Stötzel & Wagener 2014, 53ff).
Der Sprachgebrauch der Schüler.innen hat sich in den letztem Jahrzehnt sehr gewandelt. Ihre mündliche Kommunikation wurde abgekürzt, wie sie ihre „WhatsApp“ Nachrichten schreiben. Dies bringen sie auch im Deutschunterricht und anderen Fächern so auf das Papier. Dadurch ist leider der Satzbau verloren gegangen und auch die Grammatik. Es wird weniger gelesen und das Textverständnis lässt dadurch sehr zu wünschen übrig. Eine Kampagne Kindern und Jugendlichen das Lesen wieder näher zu bringen und die Kommunikation untereinander wiederzubeleben, würde diese Problematik sehr gut aufgreifen und beheben. Wir brauchen wieder Gespräche mit ganzen Sätzen, Blickkontakt, Mimik und Körpersprache.
Aus der Sicht der Praxis und der Pädagogik wäre es daher sinnvoll dem Deutschunterricht mehr Wochenstunden zu geben. Dies würde die Deutschlehrkräfte entlasten und auch den Unterricht aufwerten, da mehr Zeit vorhanden ist, um an Lektüren, Grammatik und Rechtschreibung, sowie Textverständnis und Lesen, zu arbeiten. Hier würde es sich von Seiten der Lehrkräfte anbieten, in der ersten Stunde gemeinsam mit den Schüler.innen Themen zu erläutern und in der zweiten Stunde die Schüler.innen aktiv selbständig daran arbeiten zu lassen. Dies würde auch das schlechte Abschneiden bei PISA zu den Textverständnisleistungen der Schüler.innen aufgreifen. Davon profitiert dann auch der Mathe- und der Biounterricht.
Zusätzlich sollte es Projektwochen geben, an denen am Stück Deutsch gelernt werden kann und dies ganz ohne Unterbrechung.
Mögliche Inhalte, welche die Lehrkräfte vermitteln sollten, wären:
- wie lerne ich
- wie motiviere ich mich selbst zum Lernen
- deutsch lernen: Rechtschreibung, Grammatik
- Wie lese ich einen Text
- Wie bearbeite ich einen Text
- Wie fasse ich einen Text zusammen
- Wie interpretiere ich einen Text
- Gedichtinterpretationen
Diese Projektwochen von 1-2 Wochen sollten in folgenden Klassen angeboten werden:
- 1 und 3 Klasse
- 5 und 7 Klasse bei Hauptschulen
- 5 und 8 Klasse bei Realschulen
- 5, 8 und 12 Klasse Gymnasium
Bei der 12 Klasse kann auch der Inhalt des Zitierens und das Bearbeiten von wissenschaftlichen Texten aufgegriffen werden, dies wäre dann schon eine Vorbereitung für die Abiturprüfung und das Studium. Aber auch das Bearbeiten von Abiturprüfungen sollte geübt werden und aufgezeigt werden, wie die Benotung davon abhängt.
An den Projektwochen sollten auch die Mathe- und Biologielehrkräfte teilnehmen und ihre Textaufgaben erläutern und aufzeigen, wie sich diese gezielt und schnell lesen und bearbeiten lassen, z.B. wie erkenne ich Schlüsselwörter und weiß direkt, dass dieser Satz sehr relevant ist.
Anforderungen bei Abiturprüfungen zu dem Unterrichtsfach Erziehungswissenschaften:
Aufgabe 1
- Aufgabenbezogene Einleitung: Angaben zum Autor, Titel, Erscheinungsjahr, Thema, usw.
- Textwiedergabe oder Fallbeispielwiedergabe
- Erfüllung eines weiteren aufgabenbezogenem Kriterium
Aufgabe 2
- Aufgabe sachgerecht einleiten
- Skizzieren der Annahmen der gefragten Theorie
- Analyse des Textes oder des Fallbeispiels in Bezug zur Theorie
- Ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium
Aufgabe 3
- Aufgabe sachgerecht einleiten
- Pädagogische Maßnahmen entwickeln zu dem vorliegendem Fall
- Fazit formulieren
- Weiteres aufgabenbezogenes Kriterium erfüllen
Die Darstellungsleistung der Klausurbearbeitung ist auch sehr relevant für die Punkte- und somit die Notenvergabe. Vielen Schüler.innen ist dies nicht bewusst und sie sollten dies Informationen von ihren Lehrkräften erhalten. Dies sollte nicht nur vor den Abiturprüfungen vermittelt werden, sondern auch in den Haupt- und Realschulen. Oft wird dies gar nicht bedacht und es können sich dadurch schon sehr schnell Leistungs- und Notensteigerungen erzielen lassen.
- Text ist schlüssig strukturiert anhand der Aufgabenstellung – der bekannte rote Faden
- Aussagen werden beschreibend, deutend und schlüssig aufeinander bezogen
- Aussagen werden durch Zitate und Nachweise belegt – Zitate
- Die Fachsprache wird gezielt und sachrichtig verwendet
- Sprachlicher Ausdruck – Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung, stilsicher
Quellen
Kielblock, Stephan & Stecher, Ludwig (2014): Ganztagsschule und ihre Formen. In: T. Coelen & L. Stecher (Hrsg.): Die Ganztagsschule. Eine Einführung. Weinheim / Basel: Beltz Juventa, S. 13-28.
NEWS4TEACHER - Das Bildungsmagazin. (2023, Juni). Herr Bundeskanzler, die Bildungskrise gefährdet Deutschlands Zukunft – kümmern Sie sich darum. Verfügbar unter: https://www.news4teachers.de/2023/06/herr-bundeskanzler-die-bildungskrise-gefaehrdet-deutschlands-zukunft-kuemmern-sie-sich-darum/
OECD. (2023). PISA 2022 Country Notes. Verfügbar unter: https://www.oecd.org/media/oecdorg/satellitesites/berlincentre/pressethemen/GERMANY_Country-Note-PISA-2022_DEU.pdf
Stötzel, Janina & Wagener Anna Lena (2014): Historische Entwicklungen und Zielset-zungen von Ganztagsschulen in Deutschland. In: T. Coelen & L. Stecher (Hrsg.): Die Ganztagsschule. Eine Einführung. Weinheim / Basel: Beltz Juventa, S. 49-64.
Vogelsaenger, Thomas Wolfgang & Vogelsaenger Stephanie Wilkening, (2006): Die Selbstverantwortliche Schule – eine Antwort auf PISA. In: S. Knauer & A. Durdel. Die neue Ganztagsschule. Weinheim / Basel: Beltz Verlag, S. 12-20.
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Fachkräftemangel im Lehrerberuf und Unterrichtsmaterial
Durch Entschleunigung, neue Lehrmethoden und veränderte Arbeitsabläufe ließe sich Arbeitszeit und somit auch Personalmangel minimieren. Um den Lehrkraftmangel zu beheben werden immer mehr Quereinsteigende und Vertretungslehrende eingestellt. Einige von Ihnen verfügen nicht über das erste und zweite Staatsexamen, welches zum Lehrerberuf befähigt. Sie sind somit ungelernte Kräfte für diesen Beruf.
Weiterbildungskonzept
Hier sollte es ein Weiterbildungskonzept für diese Kräfte geben, so dass Sie erst theoretische und praktische Einheiten besuchen müssen und diese mit einer Prüfung abschließen müssen, bevor sie als Lehrende vor einer Klasse stehen. Zudem sollten sie vorher Praktika absolvieren und im Unterricht hospitieren. Bei dem Weiterbildungskonzept sollte sowohl fachliches Wissen über die jeweiligen Fächer vermittelt werden, aber es sollte auch die komplette Didaktik umfassen. Dazu gehört auch Lernende einzuschätzen, einzuordnen und Noten zu geben, aber auch das psychologische und pädagogische Wissen ist zu vermitteln, da Lehrende auch die Entwicklung und Sozialisation der Kinder und Jugendlichen stärken sollen (vgl. Guettaf, 2025).
Online-Karteikasten
Gerade bei Quereinsteigenden, aber auch um Lehrende zu entlasten, bietet sich ein Online-Karteikasten mit Unterrichtsmaterialien der jeweiligen Fächer und Jahrgangsstufen an. So würde zum Beispiel der Ordner Geschichte angeklickt werden und dann erscheinen viele einzelne Ordner mit den jeweiligen Klassen, wie 5, 6, 7, 8, 9, 10. Diese können dann einzeln angeklickt werden und dann erscheinen nach Schwerpunktthemen weitere Ordner, welche dann angeklickt werden können und da ist dann das Unterrichtsmaterial für das Fach Geschichte, 5 Klasse, Schwerpunktthema 1 enthalten. Genau so kann es zusätzlich auch Online-Karteikästen zu Didaktik und somit zu Lehrmethoden und zu pädagogisch sowie psychologischen Hintergrundwissen geben. Die Lehrenden würden sich Online über ihr Passwort einloggen und könnten das Unterrichtsmaterial downloaden und verwenden. Hier könnten auch Klausuren mit Bewertungsbögen hinterlegt werden. Die Unterrichtsentwürfe sollten vom Kultusministerium und von Professoren ausgewählt und begutachtet werden, damit sichergestellt ist, dass nur die besten Entwürfe hinterlegt sind und nach den neuen Lehrmethoden unterrichtet wird. Dies würde auch helfen, dass diese endlich flächendeckend in die Schulen gelangt. Gerade auch für Lehrende der älteren Generation wäre dies auch eine Unterstützung. Bei Lehrenden nimmt die Unterrichtsvorbereitung und Nachbereitung, die Klausurerstellung und Korrektur sehr viel Zeit in Anspruch. Diese Zeit würde dadurch minimiert werden und dass Personal würde so mehr für Unterrichtsstunden oder Betreuungsangeboten zur Verfügung stehen. Einigen Lehrenden fällt die Unterrichtsvorbereitung sehr schwer, auch dies würde dadurch beseitigt werden, da sie sehr gute Unterrichtsentwürfe aus den Karteikästen nehmen könnten, dies würde auch die Qualität des Unterrichts steigern. Die Lehrenden können das Unterrichtsmaterial benutzen, weiterentwickeln, abändern oder eigenes entwerfen. Hier können sie weiterhin kreativ sein, aber sie haben eine Orientierung und eine Hilfe falls sie diese benötigen.
Studienverlaufspläne
Zu dem Online-Karteikasten sollten noch Studienverlaufspläne der Grundschule, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II zu den jeweiligen Fächern erstellt werden, diese sollten auch im Karteikasten hinterlegt werden. Diese bieten eine komplette Übersicht, welche Inhalte mit den jeweiligen Texten und Aufgaben die Lernenden in welchem Jahrgang erarbeiten sollen. Das bietet den Lehrenden Struktur und Orientierung. Aber auch den Lernenden sollte dieser Studienverlauf ausgehändigt werden, denn auch ihnen und ihren Eltern gibt es eine gute Übersicht, welche Leistungen und Inhalte, wann von ihnen erwartet werden und dies hilft bei der Lernvorbereitung. Das Unterrichtsmaterial und die Studienverlaufspläne im Online-Karteikasten, welcher nur den Lehrenden zu Verfügung stehen, sorgt auch dafür, dass die Unterrichtsqualität und der Leistungsstand der Klasse nicht mehr von den Lehrenden abhängig sind. Zudem bietet dies so eine bessere Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit aller Klassen des jeweiligen Bundeslandes und ist für die Lernenden gerechter, da jeder die gleichen Bedingungen vorfindet.
Der Krankheitsstand der Lehrenden sollte minimiert werden, da dies zu den hohen Vertretungsstunden führt. Hierzu ist es wichtig die Belastungen zu minimieren und für Entschleunigung zu sorgen. Dafür sollte es auch Räume für Lehrende geben, wo sie den Unterricht vor- und nachbereiten können, Klausuren erstellen und korrigieren können, Orte der Entspannung vorfinden, aber auch Orte der Geselligkeit und der Nahrungsaufnahme sollten vorhanden sein.
Auch die Kommunikation unter Lehrenden sollte sich verändern und es sollten mehr Unterrichtskooperationen der einzelnen Unterrichtsfächer geben. Auch gegenseitige Hospitationen sind wichtig, um sich ein Feedback zum eigenen Unterricht zu holen, sich weiterzuentwickeln und gerade bei Konflikten diese zu klären und die Ursachen zu erkennen.
Quellen
Guettaf, S. (2025). Fachkräftemangel in der Kinderkrankenpflege.
Kinderkrankenschwester, 02, 35-40
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Schwimmen können, redet Leben, es gibt das Leistungsschwimmen, das Erlernen der Schwimmfähigkeit, Schwimmen aus Spaß und Freude heraus, Schwimmen zur präventiven oder rehabilitativen Gesundheitsversorgung. Aus diesen Hintergründen ist das Schwimmbad für die gesamte Bevölkerung geöffnet und es ist daher auch ein Ort, an dem täglich generationsübergreifende Begegnungen und Lernen stattfindet.
Das Schwimmbad als Ort für Lernanfänger, Freizeitschwimmer und Leistungsschwimmer
Die Schwimmbäder können überlegen, ob Sie die Eckbahnen als Lernbahnen markieren. Die Anfangenden können so erst einmal über die Ecke zur Beckenwand schwimmen und haben so nicht gleich die lange Strecke vor sich. Dies nimmt die Angst und hilft Erfolge über kurze Strecken zu erreichen. Die Anfangenden können auch erst einmal durch den Abstoß von der Wand Antrieb erfahren, und über die Ecke an die nächste Wand gelangen, auch wenn sie noch nicht so gut schwimmen können. Dabei sollte immer der Spaßfaktor im Vordergrund stehen, so dass hier auch Wasserspritzen und Spiele im Wasser möglich sind. Andere Schwimmende wären über das Eckschwimmen nicht gestört und es gibt keinerlei Probleme, da die Anfangenden auch im Tiefwasser erst einmal noch unter sich sind und nicht von einen Kraulschwimmenden zur Seite gedrängt werden.
Dies würde auch helfen, dass Eltern ihren Kindern in Ruhe die Schwimmfähigkeit vermitteln können. Es müssten mehrere Angebote für Eltern und Kleinkindschwimmende geben. Hierbei wäre es auch sinnvoll, wenn eine Person im Schwimmbad wäre, welche den Kindern und vielleicht auch den Eltern das Schwimmen beibringt. Dafür könnte es feste Tage in der Woche geben. Hierbei wäre es sinnvoll sie über die Bedeutung des Schwimmens zu informieren. Aber sie sollten auch eine Wassergewöhnung erhalten und durch Spiele im Wasser den Spaß und das schöne Gefühl durch das Wasser zu gleiten, kennenlernen.
Das Schwimmbad wäre dann in Leistungsbahnen, Bahnen für Breitensportler.innen und Bahnen für die Anfangenden über die Ecke, aufgeteilt. Dies Einteilung, wäre in Anlehnung an die Ski-Pisten gegliedert, die schwarze Piste für die Leistungsstarken, die andere Piste für die Breitensportler.innen und die Anfängerpiste, bei denen erst einmal noch der Pflug gelernt wird. Dadurch könnten die Leistungssportler.innen ihre volle Leistung steigern. Wenn Sie mit Breitensportler.innen in einer Bahn sind, dann müssen sie ihre Schnelligkeit drosseln, was eine Technik-, Kraft- und Ausdauerminderung zur Folge hat. Auch für die Breitensportler.innen wäre dies von Vorteil, da sie so den Spaß am Schwimmen nicht verlieren, wenn sie immer auf die Leistungsschwimmenden achten müssen.
Auch das generationsübergreifende Kennenlernen stellt im Schwimmbad eine der wichtigsten Aspekte dar. Hierbei kann auch überlegt werden, ob durch angeleitete Spiele im Wasser die soziale Interaktion gefördert wird.
Das aktive lebendige Schwimmbad für jeden und der Ort des Relaxens
Diese Schwimmbad weist die Bahnen für Leistungsschwimmende, die Bahnen für den Breitensport und die Bahnen für die Anfangenden, welche die Außenbahnen sein sollten, damit sie das Eckschwimmen umsetzen können, auf. Wichtig ist das Babybecken und das Kinderbecken mit der niedrigen Wasserhöhe.
Aber benötigt wird auch eine Wasserspaßerlebniswelt mit Spiel und Spaß für Kinder und Jugendliche, bei der Anlage können Sie sich so richtig austoben. Es sollte ein richtiges Wasserspektakel sein. Viele verschieden Bälle fliegen durch die Luft, müssen gefangen werden und zum Mitspielenden gepasst werden. Aus Wasserspaßgeräten wird das Wasser auf die Kinder und Jugendlichen losgelassen und diese weichen aus oder lassen es lachend zu. Während sie mit dem anderen Geräten den Wasserstrahl gegen ihre Spielkameraden.innen lenken. Hier wird in das Wasser getreten und das spritzt. Das Kinderlachen ist deutlich zu vernehmen. Danach laufen Sie durch ein Wasserfontänenmeer und genießen es, wie das Wasser auf sie herabrieselt, zum Beispiel, wie ein Regenfall oder ein Wasserfall.
Mitarbeitende des Schwimmbads sorgen mit Wasserspielen für Spaß und Action für die Kleinen und Jugendlichen.
Je nach Anlage wäre auch eine Floß-Tour oder eine kleine Boot-Paddel-Tour möglich. Auch die Springlandschaft darf hier nicht fehlen. Sowie die Wasserrutsche mit Matten. Natürlich muss ein städtisches Schwimmbad dies nicht alles aufweisen, denn das ist ja schon für ein Wassererlebnisbad konzipiert, aber einzelne Punkte können umgesetzt werden.
Die Wiesen sollten nicht nur zum Liegen, sondern auch zur Aktivität einladen. Es kann ein Beachvolleyballfeld angelegt werden. Dieses kann auch zum Badminton, Völkerball oder Fußball über die Schnur verwendet werden (vgl. Guettaf, 2023, S. 52-54). Dieser Platz und der Bereich, wo Fußball gespielt werden darf, sollte außen liegen und nicht in der Nähe der Liegenlandschaft der Gäste. Wer kennt nicht den Unmut, wenn die Bälle auf, die sich Sonnenden fallen. Diese Eskalation sollte unbedingt räumlich verhindert werden.
Es sollte in jedem Freibad einen Bereich geben, bei dem sich Kinder etwas ausleihen dürfen, wie zum Beispiel Gummitwist, Room Skipping, Federball, Wasserbälle, Fußbälle, Volleybälle, Schaumstoffbälle, kleine Fangspielgeräte, Karten, Gesellschaftsspiele, Bücher und vieles mehr. So haben Kinder und Jugendliche alles vor Ort und können sich ihren Tag im Schwimmbad gestalten (vgl. Guettaf, 2025, S. 60-65).
Gleichzeitig sollte es noch eine Entspannungs- und Ruhe Area geben. Liegestühle mit Kissen oder Hängematten laden zum Relaxen ein. Überall stehen Palmen und es blühen Blumen. Es können Relax-Shakes gereicht werden oder wenn gewünscht auch Aktiv-Shakes. Zusätzlich kann ein frischer Obstsalat angeboten werden oder Wassermelone mit Frischkäse und Aprikosen. Leichte Entspannungsmusik kann laufen, aber nicht die ganze Zeit, denn die Stille und das achtsame in sich hinein hören, sowie die Geräusche der Blätter, des Windes oder der Vögel steht im Mittelpunkt von diesem Bereich. Dieser Relax-Platz sollte auf der anderen Seite der Wassererlebniswelt und der Ballspaß-Area liegen, sonst könnte die Ruhe schnell vorbei sein.
Ein DJ kann an bestimmten Tagen für eine Schwimmbad-Party sorgen. Mit Songs und dazugehörigen Tanzanleitungen entsteht eine wunderschöne und ausgelassene Zeit. Als ich ein Kind war, konnte ich dies im Lindenau-Bad in Hanau erleben. Bis heute lache und strahle ich bei diesen Erinnerungen und besonders, wenn das Lied „OPUS - Live Is Life“ gespielt wird. Der DJ hat uns Kindern zu dem Song eine Tanzchoreografie tanzen lassen. Die Party kann generationsübergreifend, aber auch mal abends für Erwachsene angeboten werden, die Mottos können variieren und dazu passende Getränke und Speisen angeboten werden.
Für die Personen im Rentenalter könnte es zusätzlich ein Fußtreten nach Kneip geben. Aber auch eine Sitzlandschaft der Begegnung, um andere Personen kennenzulernen oder sich nur mal zu unterhalten, sollte angelegt werden. Hier könnte ein bewusstes generationsübergreifendes Kennenlernen stattfinden. Wenn der Platz es zulässt, wäre eine Boule-Anlage auch sehr gut. Die Bälle könnten vor Ort ausgeliehen werden (vgl. Guettaf, 2024, S. 49-51).
Ausblick
Nach den ganzen Krisen, welche die Schwimmbäder belasten, sollten Sie sich neu aufstellen und moderner und innovativer hervortreten. Der Schwimmsportwelt muss eine höhere Bedeutung gegeben werden, da diese Sportart auch Leben rettet und das Schwimmen für jeden Menschen aus diesem Grund unabdingbar ist. Dies unterscheidet das Schwimmen von allen anderen Sportarten. Auch der präventive Gesundheitsaspekt, sowie der Bereich der Rehabilitation sollte Berücksichtigung finden. Hierbei sollte das effektive Training des ganzen Körpers, die Auswirkungen auf die Organe und die Gesamtmuskulatur thematisiert werden. Der Spaßfaktor des Schwimmens sollte viel mehr herausgearbeitet werden. Die Bewegungskunst des Schwimmens sollte mehr in den Fokus gerückt werden, denn diese ist wunderschön.
Quellen
Guettaf, S. (2025). Die Stärke in mir. Neckenmarkt: united p.c.
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Guettaf, S. (2023). Fußball über die Schnur. SportPraxis, 6, 52-54
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Michel Foucault beginnt sein Werk „Überwachen und Strafen – Die Geburt des
Gefängnisses“ mit der Beschreibung der Hinrichtung des Königmörders Damiens vom 2.
März 1757 (vgl. Foucault, 1976: 9-12). Wie aus dem Untertitel zu entnehmen ist, stellt
Foucault die Entwicklung der Strafsysteme bis zur „Geburt des Gefängnisses“ vor. Um
diese Entwicklung aufzuzeigen, betrachtet Foucault das Entstehen und die Verbreitung der
Disziplin bis zur Disziplinargesellschaft (vgl. Foucault, 1976). Dies verdeutlicht Foucault
an Beispielen aus dem Militär, der Medizin, der Schule und der Industrie (vgl. Foucault,
1976: 181). Diese Einführung gibt zum Verständnis nur einen zusammenfassenden Einblick in die Entwicklung der Strafsysteme und das Entstehen der Disziplinargesellschaft.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zum Ende des 18. Jahrhunderts drei
konkurrierende Strafsysteme vorherrschten (vgl. Foucault, 1976: 169-170). Die
Marterstrafe war wie ein Spektakel aufgebaut, durch sie sollte ein Exempel statuiert
werden. Der Schmerz und das Leiden des Körpers sind die Bestandteile dieser Strafe. Was
Foucault durch die Hinrichtung des Königmörders Damiens verdeutlicht (vgl. Foucault,
1976: 9-12). In den Jahren zwischen 1830 bis 1848 hört die Marterstrafe auf und wird zu
einer Besserungsstrafe mit Dressurmethoden (vgl. Foucault, 1976: 23; 170). Die Strafe
wird zum verborgenen Teil der Rechtssache (vgl. Foucault, 1976: 16). „Was sich
abzeichnet, ist weniger ein neuer Respekt vor dem Menschen im Verurteilten […] sondern
vielmehr eine Tendenz zu einer sorgfältigeren und verfeinerten Justiz, zu einem
lückenloseren Durchkämen des Gesellschaftskörpers“ (Foucault, 1976: 99). Die Strafe zielt
nicht mehr auf den Körper, sondern auf die Seele. Somit soll die Strafe auf das Herz, das
Denken, den Willen und die Anlagen wirken (vgl. Foucault, 1976: 25). Die Strafe soll
demnach nicht mehr bestrafen, sondern bessern, erziehen und heilen (vgl. Foucault, 1976:
17). „Durch dieses Strafsystem wird der Körper in ein System von Zwang und Beraubung,
von Verpflichtungen und Verboten gesteckt“ (Foucault, 1976: 18). Dies verdeutlicht
Foucault am Rasphuis von Amsterdam, welches 1596 gegründet wurde und als das älteste
dieser Modelle gilt. Das Strafsystem ist durch eine minutiöse Zeiteinteilung gegliedert und
verfolgt das Prinzip der Arbeitspflicht (vgl. Foucault, 1976: 155). Bei den Reform-Juristen
wurden die Verbrecher zu Rechtssubjekten. Diese Bestrafung wirkte durch ihre codierten
Vorstellungskomplexe in die Gesellschaft hinein und wurde anerkannt. Das dritte
Strafsystem bildet der Kerker. Hier werden die Verbrecher eingeschlossen und dressiert
(vgl. Foucault, 1976: 169-170). Die Entwicklung der Strafsysteme zeigt, dass der
Verbrecher von einem gebrandmarkten Körper zu einem Rechtssubjekt und
Gehorsamssubjekt geworden ist (vgl. Foucault, 1976: 167).
Die Parzellierung des Raumes beschreibt Foucault an den Vorkehrungen, welche am Ende
des 17. Jahrhunderts getroffen wurden, um den Ausbruch der Pest in den Griff zu
bekommen. Die Stadt wurde in Viertel eingeteilt und ein Intendant war für einen einzelnen
Bezirk zuständig. Die Personen durften ihre Häuser nicht verlassen und diese wurden aus
diesem Grund von außen verriegelt. Nur beruflich befugte Personen, wie z.B. der
Intendant, dürfen sich auf den Straßen aufhalten (vgl. Foucault, 1976: 251). „Der Raum
erstarrt zu einem Netz von undurchlässigen Zellen. Jeder ist an seinen Platz gebunden. Wer
sich rührt, riskiert sein Leben: Ansteckung oder Bestrafung“ (Foucault, 1976: 251). Bei
Aufrufen des Namens müssen sich die entsprechenden Personen an ihren Fenstern zeigen.
Zuvor wurden alle Personen in einem Register erfasst. Es werden alle Gegebenheiten
kontrolliert und bei der entsprechenden Person im Register notiert. In diesem
geschlossenen, parzellierten und lückenlos überwachten Raum hat jedes Individuum seinen
festen Platz. Jede Abweichung wird erfasst und notiert. In Bezug auf die Pest werden die
Individuen nach der Erfassung den Lebenden, den Kranken oder den Toten zugeteilt. Dies
stellt das Modell der Disziplinierungsanlage dar und sichert die Ordnung (vgl. Foucault,
1976: 252-254).
Der Leprakranke wird verworfen, ausgeschlossen, verbannt: ausgesetzt; draußen läßt man ihn in einer Masse verkommen, die zu differenzieren sich nicht lohnt. Die Pestkranken hingegenwerden sorgfältig erfaßt und individuell differenziert – von einerMacht, die sich vervielfältigt, sich gliedert und verzweigt. Die große Einsperrung auf der einen Seite und die gute Abrichtung auf der andern; die Aussetzung der Lepra und die Aufgliederung der Pest; die Stigmatisierung des Aussatzes und die Analyse der Pest
(Foucault, 1976: 254-255).
Somit wurden zwei verschiedene Methoden der Macht eingesetzt. Bei der Pest ging es um
eine disziplinierte Gesellschaft und somit um die Ausübung der Disziplinierungsmacht.
Hingegen ging es bei der Lepra um eine „reine Gemeinschaft“ und somit um das Modell
der Ausschließung. Im 19. Jahrhundert wird von der Ausschließung der Bettler,
Landstreicher, Irren und Gewalttätigen abgerückt und das Modell der parzellierenden
Disziplin umgesetzt (vgl. Foucault, 1976: 255-256).
Das Gefängnis wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch als etwas Neues angesehen, aber
dann entwickelt es sich schnell zur selbstverständlichen Strafe (vgl. Foucault, 1976: 295).
Das Gefängnis ist eine etwas strenge Kaserne, eine unnachsichtige Schule, eine düstere Werkstatt, letztlich nichts qualitativ Verschiedenes. Diese zweifache Begründung – die juristisch
ökonomische und die technisch-disziplinäre – hat das Gefängnis als die einleuchtendste und zivilisierteste aller Strafformen erscheinen lassen, und diese zweifache Begründung hat ihm vom
Anfang an seine Dauerhaftigkeit verliehen (Foucault, 1976: 296).
Durch das Gefängnis wird das Einsperren und somit die Freiheitsberaubung legalisiert.
Durch diese Strafe soll eine Besserung und somit auch eine Veränderung des Individuums
erreicht werden (vgl. Foucault, 1976: 296-297). Das Gefängnis ist als Disziplinarapparat
anzusehen (vgl. Foucault, 1976: 300).
Einmal muß es sämtliche Aspekte des Individuums erfassen: seine physische Dressur, seine Arbeitseignung, sein alltägliches Verhalten, seine moralische Einstellung, seine Anlagen. Viel mehr
als die Schule, die Werkstatt oder die Armee, die immer eine bestimmte Spezialisierung aufweisen, ist das Gefängnis eine ‚Gesamtdisziplin‘ (Foucault, 1976: 300).
Durch die Unterdrückungs- und Züchtigungsmechanismen, welche unter die despotische
Disziplin gefasst werden können, verfügt das Gefängnis über eine fast totale Macht über
die Insassen (vgl. Foucault, 1976: 301). „Das Gefängnis treibt die Prozeduren der anderen
Disziplinaranlagen auf ihre äußerste Spitze“ (Foucault, 1976: 301). Die Regierung
bestimmt über die Freiheit und die Zeit des Insassen. Als Mittel dient demzufolge der
Zwang der totalen Erziehung (vgl. Foucault, 1976: 301). „Die Verallgemeinerung der
Strafgewalt beruht nicht auf dem universellen Gesetzesbewußtsein der Rechtsubjekte,
sondern auf dem endlos weit gespannten und unendlich eng geknüpften Netz der
panoptischen Verfahren“ (Foucault, 1976: 287). Der ökonomische Effekt der
Gefängnisarbeit ist, dass Individuen nach den Normen der industriellen Gesellschaft
produziert werden (vgl. Foucault, 1976: 310).
Zweifellos aber läßt sich ein Gedanke festhalten: daß in unseren Gesellschaften die Strafsysteme in eine bestimmte ‚politische Ökonomie‘ des Körpers einzuordnen sind. Selbst wenn sie auf gewaltsame oder blutige Züchtigungen verzichten, selbst wenn sie die ‚milden‘ Methoden der Einsperrung oder Besserung verwenden, geht es doch immer um den Körper – um den Körper und seine Kräfte, um deren Nützlichkeit und Gelehrigkeit, um deren Anordnung und Unterwerfung (Foucault, 1976: 36).
Die Politik greift auf den Körper, denn der Körper wird gematert, muss Arbeiten verrichten
und wird dressiert. Somit wird der Körper zur Produktionskraft der Macht- und
Herrschaftsbeziehungen. Dies ist aber nur in einem Unterwerfungssystem möglich, denn
„[…] zu einer ausnutzbaren Kraft wird der Körper nur, wenn er sowohl produktiver wie
unterworfener Körper ist“ (Foucault, 1976: 37). Der Mensch ist das Resultat einer
Unterwerfung, da die Seele Macht über den Körper ausübt und somit ein Stück der
Herrschaft darstellt. „Die Seele: Effekt und Instrument einer politischen Anatomie. Die
Seele: Gefängnis des Körpers“ (Foucault, 1976: 42). Die Seele ist „[…] das
Zahnradgetriebe, mittels dessen die Machtbeziehungen ein Wissen ermöglichen und das
Wissen die Machtwirkungen erneuert und verstärkt“ (Foucault, 1976: 42). Das Wissen
setzt Machtbeziehungen voraus und lässt diese entstehen und genauso gibt es keine
Machtbeziehungen ohne ein entsprechendes Wissensfeld (vgl. Foucault, 1976: 39). „Es
handelt sich gewissermaßen um eine Mikrophysik der Macht, die von den Apparaten und
Institutionen eingesetzt wird; ihre Wirksamkeit liegt aber sozusagen zwischen diesen
großen Funktionseinheiten und den Körpern mit ihrer Materialität und ihren Kräften“
(Foucault, 1976: 38). Diese Macht entfaltet sich und wird nicht einfach besessen (vgl.
Foucault, 1976: 38).
Zwar wurden Disziplinmethoden schon länger in Klöstern, bei der Armee oder in den
Werkstätten ausgeübt, aber im 17. und 18. Jahrhundert sind sie zur allgemeinen
Herrschaftsform geworden. Während die Sklaverei den Körper als Besitz wahrnimmt, übt
die Disziplin keine Gewalt aus und das ist gerade ihre Kunst. Durch Zwänge, wird
kalkuliert und manipuliert (vgl. Foucault, 1976: 175-176). „Diese Methoden, welche die
peinliche Kontrolle der Körpertätigkeiten und die dauerhafte Unterwerfung ihrer Kräfte
ermöglichen und sie gelehrig/nützlich machen, kann man die ‚Disziplinen‘ nennen“
(Foucault, 1976: 176). An den Musterkollegs der Jesuiten greifen die „allgemeinen Formen
der Schuldisziplin“. Nach Foucault gehen mit dieser Verbreitung aber viel tiefere Prozesse
einher, wie der „Funktionsumkehr bei den Disziplinen“, der „Ausweitung der
Disziplinarmechanismen“ und der „Verstaatlichung der Disziplinarmechanismen“ (vgl.
Foucault, 1976: 269-279). Mit der „Funktionsumkehrung der Disziplinen“ ist gemeint,
dass es nicht mehr darum geht, Gefahren zu verhindern, sondern durch die Disziplinen soll
die Nützlichkeit jedes Individuums gesteigert werden. Dazu sollen die Körper in eine
Maschinerie geformt werden und die daraus entstehenden Kräfte sollen zu einer Ökonomie
vereint werden. Vom Elementarunterricht wird verlangt, dass dieser den Körper so formt
und stärkt, dass dieser sich in die Maschinerie eingliedern lässt und seine Nützlichkeit
gewinnbringend gesteigert werden kann (Foucault, 1976: 269-271). „Die Disziplinen
werden immer mehr zu Techniken, welche nutzbringend Individuen fabrizieren“ (Foucault,
1976: 271). Es geht also nicht mehr um Ausschließung und Einsperrung, sondern um
Produktion und die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Aus diesem Grund
findet im 18. Jahrhundert die Ausbreitung der Disziplinarinstitutionen statt. Mit dem
zweiten Aspekt „die Ausweitung der Disziplinarmechanismen“ verdeutlicht Foucault, dass
diese sich desinstitutionalisieren und zu „weichen, geschmeidigen, anpassungsfähigen
Kontrollverfahren“ werden. So werden in den Schulen nicht nur die Schüler überwacht,
sondern die Kontrollverfahren greifen auch in die Familien und die Umgebung. Als dritten
Aspekt führt Foucault „die Verstaatlichung der Disziplinarmechanismen auf (vgl.
Foucault, 1976: 271-273).
Die ‚Disziplin‘ kann weder mit einer Institution noch mit einem Apparat identifiziert werden. Sie ist ein Typ von Macht; eine Modalität der Ausübung von Gewalt; ein Komplex von Instrumenten, Techniken, Prozeduren, Einsatzebenen, Zielscheiben; sie ist eine ‚Physik‘ oder eine ‚Anatomie‘ der Macht,
eine Technologie (Foucault, 1976: 276-277).
Sie wird von Institutionen eingesetzt. Nicht mehr die Gemeinschaft und das öffentliche
Leben prägen die Gesellschaft, sondern es geht jetzt um die Individuen und den Staat. Es
ist eine „Gesellschaft der Überwachung“ entstanden (vgl. Foucault, 1976: 277-279). „Die
Formierung der Disziplinargesellschaft vollzieht sich innerhalb breiter historischer
Prozesse, die ökonomischer, rechtlich-politischer und wissenschaftlicher Art sind“
(Foucault, 1976: 279). Grob formuliert, stellen die Disziplinen Techniken dar, mit denen
die Vielfältigkeit der Individuen geordnet werden sollen. Die Machttaktik der Disziplinen
beruht auf drei Kriterien. Für die Machtausübung sollen niedrige Kosten eingesetzt
werden. Damit sind auf der einen Seite die wirtschaftlichen Faktoren gemeint, aber auf der
anderen Seite auch die unsichtbare Ausübung der Macht. Dennoch soll die Wirkung der
Macht intensiv und weitreichend sein. Diese Macht verbindet sich mit den Institutionen,
wie zum Beispiel der Schule (vgl. Foucault, 1976: 279-280). „Es gilt also gleichzeitig die
Fügsamkeit und die Nützlichkeit aller Elemente des Systems zu steigern“ (Foucault, 1976:
280). Diese drei Kriterien leiten sich aus historischen Ereignissen ab, wie dem
demographischen Wachstum im 18. Jahrhundert und der Steigerung des
Produktionsapparates (vgl. Foucault, 1976: 280).
„Die Entwicklung der Disziplinarprozeduren entspricht diesen beiden Prozessen oder vielmehr der
Notwendigkeit ihrer gegenseitigen Anpassung“ (Foucault, 1976: 280). Durch den
wirtschaftlichen Anstieg ist die Disziplinargewalt entstanden. Die Disziplinarmethoden
können in verschiedenen Institutionen eingesetzt werden (vgl. Foucault, 1976: 284). „Wir
können sagen, daß die Disziplin das einheitliche technische Verfahren ist, durch welches
die Kraft des Körpers zu den geringsten Kosten als ‚politische‘ Kraft zurückgeschraubt und
als nutzbare Kraft gesteigert wird“ (Foucault, 1976: 284). Die „Formierung des Wissens“
und die „Steigerung der Macht“ verstärken sich gegenseitig. Die Disziplinen werden so zu
weit mehr als nur Technologien. Die Disziplin ordnet nicht einfach nur die Institutionen,
wie zum Beispiel die Schule, sondern sie werden zu Apparaten, welche die Subjekte
unterwerfen, um deren Leistung zu steigern. Zudem wird durch die Steigerung der Macht
ermöglicht, neue Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. Foucault, 1976: 287). „Es handelt sich
also um einen zweifachen Prozeß: um eine epistemologische Enthemmung aufgrund einer
Verfeinerung der Machtbeziehungen und um eine Vervielfältigung der Machtwirkungen
dank der Formierung und Anhäufung neuer Kenntnisse“ (Foucault, 1976: 288). Das 18.
Jahrhundert hat die Disziplintechniken und die Prüfung entstehen lassen (vgl. Foucault,
1976: 289). „Die ‚Aufklärung‘, welche die Freiheiten entdeckt hat, hat auch die
Disziplinen erfunden“ (Foucault, 1976: 285).
Das verräumlichte Subjekt
Am Soldaten des 18. Jahrhunderts erläutert Foucault, dass aus einem untauglichen Körper
eine Maschine fabriziert wird (vgl. Foucault, 1976: 173-176). „Gelehrig ist ein Körper, der
unterworfen werden kann, der ausgenutzt werden kann, der umgeformt und
vervollkommnet werden kann“ (Foucault, 1976: 175). Die Haltung und jede Bewegung
sind bis ins kleineste Detail festgelegt, werden genauso ausgeführt, wie sie codiert sind und
durch Übung automatisiert (vgl. Foucault, 1976: 173-176). Die „[…] Ökonomie und
Effizienz der Bewegungen und ihrer inneren Organisation […]“ stehen im Vordergrund
(Foucault, 1976: 176). Foucault führt auf, dass dies eine „politische Anatomie“ ist, welche
eine „Mechanik der Macht“ darstellt. Diese „politische Anatomie“ wurde erst an den
Kollegs durchgeführt, dann in den Elementarschulen, im Spital und beim Militär. So ist eine neue „Mikrophysik der Macht“ entstanden, welche sich seit dem 17. Jahrhundert
immer weiter ausdehnt und somit auch den Gesellschaftskörper immer mehr einnimmt
(vgl. Foucault, 1976: 176-178). „Der menschliche Körper geht in eine Machtmaschinerie
ein, die ihn durchwühlt, zergliedert und wieder zusammensetzt“ (Foucault, 1976: 176-177).
Auf der einen Seite wird durch die Disziplin die Produktionskraft des Körpers erhöht und
auf der anderen Seite werden dieselben Kräfte verringert, damit das Subjekt politisch
fügsam gemacht wird (vgl. Foucault, 1976: 177-178). „Die Disziplin fabriziert auf diese
Weise unterworfene und geübte Körper, fügsame und gelehrige Körper“ (Foucault, 1976:
177). Die neue „Mikrophysik der Macht“ setzt minutiöse und unscheinbare Techniken ein,
welche den Körper im Detail bearbeiten (vgl. Foucault, 1976: 178). „Die Disziplin ist eine
politische Anatomie des Details“ (Foucault, 1976: 178). Bei der Theologie und der Askese
wird dem Detail große Aufmerksamkeit geschenkt. „In diese große Tradition der
Erhabenheit des Details fügen sich alle Kleinlichkeiten der christlichen Erziehung, der
Schul- oder Militärpädagogik und schließlich aller Formen der Dressur ohne weiteres ein“
(Foucault, 1976: 179). So entsteht im klassischen Zeitalter durch die Kontrolle eine
„minutiöse Beobachtung des Details“. Daten werden erfasst und so entstehen immer
weitere Daten (vgl. Foucault, 1976: 181). „Aus diesen Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten
ist der Mensch des modernen Humanismus geboren worden“ (Foucault, 1976: 181).
Die Disziplin setzt die Techniken der Klausur, Parzellierung, die Zuweisung von
Funktionsstellen und den Rang ein, um die Individuen im Raum zu verteilen (vgl.
Foucault, 1976: 181-189). „Bisweilen erfordert die Disziplin die Klausur, die bauliche
Abschließung eines Ortes von allen anderen Orten“ (Foucault, 1976: 181). An den Kollegs
setzt sich das Modell des Klosters durch und Internate entstehen (vgl. Foucault, 1976:
181). Die Technik der Klausur ist nicht ausreichend, da die „Disziplinarapparate“ eine
feinere Ausrichtung des Raumes anstreben. Hier kommt das „Prinzip der elementaren
Lokalisierung oder der Parzellierung“ zum Tragen (vgl. Foucault, 1976: 183). Das Subjekt
erhält seinen festen Platz im Raum. „Jedem Individuum seinen Platz und auf jeden Platz
ein Individuum“ (Foucault, 1976: 183). Dies dient der Ordnung, denn so findet eine
Trennung der Subjekte statt und somit wird gleichzeitig ein Austausch unterbunden.
Zudem soll so die Vielfalt eingegrenzt werden. „Der Disziplinarraum hat die Tendenz, sich
in ebenso viele Parzellen zu unterteilen, wie Körper oder Elemente aufzuteilen sind“
(Foucault, 1976: 183). Das Verhalten jedes Individuums wird überwacht und eingeschätzt.
So können in entsprechenden Fällen Sanktionen folgen. Auch die Anwesenheit wird
festgehalten und die Leistungen werden erfasst. Der Einsatz dieser Disziplintechniken
dient der „Nutzbarmachung“ (vgl. Foucault, 1976: 183-184). So schafft die Disziplin einen
„analytischen Raum“, welcher die Zelle der Klöster zum Vorbild hat. „Auch wenn seine
Abteilungen nicht äußerlich realisiert werden, ist der Raum der Disziplinen im Grunde
immer zellenförmig“ (Foucault, 1976: 184).
Die Zuweisung von Funktionsstellen wird in den Disziplinarinstitutionen immer mehr einen Raum codieren, der von der Architektur her noch verschiedene Verwendungen zuläßt. Die
genaue Festlegung von Plätzen entspricht nicht nur der Notwendigkeit der Überwachung und der Unterbrechung von gefährlichen Verbindungen, sondern auch der Schaffung eines
nutzbaren Raumes (Foucault, 1976: 184).
Dies verdeutlicht Foucault an den Fabriken aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Denn dort
ging es nicht nur um die Verteilung der Individuen im Raum, sondern diese mussten in
Einklang und Verbindung zum Produktionsapparat stehen (vgl. Foucault, 1976: 185-186).
„Die Disziplin ist die Kunst des Ranges und die Technik der Transformation von
Anordnungen. Sie individualisiert die Körper durch eine Lokalisierung, die sie nicht
verwurzelt, sondern in einem Netz von Relationen verteilt und zirkulieren läßt“ (Foucault,
1976: 187). Dadurch ist jedes Element zu ersetzen. Der Rang bestimmt den Platz in einer
Klassifizierung. So bekommen alle einzelnen Schüler/innen bei einer Aufgabe oder einer
Prüfung einen Rang zugeteilt. Der Rang entsteht nach Alter, Leistung und Verhalten der
Schüler/innen. Der Rang ist somit nicht fest verankert, sondern die Schüler/innen können
auf einen höheren Rang aufsteigen oder auf einen niedrigeren Rang abfallen. So werden
die Schüler/innen nach ihren Fähigkeiten und ihren Wissensleistungen hierarchisiert (vgl.
Foucault, 1976: 187-188).
„Indem sie die ‚Zellen‘, die ‚Plätze‘ und die ‚Ränge‘ organisieren, fabrizieren die
Disziplinen komplexe Räume aus Architektur, Funktionen und Hierarchien“ (Foucault,
1976: 190). Dadurch, dass jedes Individuum seinen Platz hat, ist es möglich, dass alle
gleichzeitig arbeiten und jeder Einzelne kontrolliert werden kann. So entwickelte sich eine
neue Ökonomie der Lernzeit und der Schulraum wurde zu einer „Lern-, Überwachungs-,
Hierarchisierungs- und Belohnungsmaschine“ umgewandelt (vgl. Foucault, 1976: 188
189). Es entsteht ein „[…] Gehorsam der Individuen, aber auch eine bessere Ökonomie der
Zeit und der Gesten“ (Foucault, 1976: 190). Die Disziplin fabriziert „lebende Tableaus“.
Durch die „Disziplinaranordnung“ wird eine Kontrolle und Nutzbarmachung der Vielfalt
ermöglicht, welche eine Basis für eine „zellenförmige Mikrophysik der Macht“ darstellt
(vgl. Foucault, 1976: 190-191). „Die Taktik ist die räumliche Anordnung der Menschen;
die Taxinomie ist der Disziplinarraum der Lebewesen; das ökonomische Tableau ist die
geregelte Bewegung der Reichtümer“ (Foucault, 1976: 191).
Foucault zeigt am Edikt von 1737, welches die Zeichenschule an der Gobelinmanufaktur
vorsah, den Wandel der Zeitorganisation auf. Denn die Meisterlehre wandelt sich zu einer
geregelten Schule. Dabei ging es um die Anordnung der Verhältnisse von Zeit, Körper und
Kräfte, aber auch der Dauer und die absolute produktive Ausnutzung der Zeit. Unterricht
findet täglich außer am Sonntag und an Feiertagen statt (vgl. Foucault, 1976: 202). „Nach
einer an der Wand befestigten Liste wird der Appell durchgeführt; die Abwesenden werden
in ein Register eingetragen. Die Schule ist in drei Klassen geteilt“ (Foucault, 1976: 202).
Die Schüler reichen regelmäßig ihre Aufgaben bei der Lehrkraft ein, und die Schüler mit
den besten Leistungen werden belohnt. Am Ende des Jahres wird der Rang jedes einzelnen
Schülers bestimmt und entschieden, welche Schüler in die höhere Klasse dürfen. Das
Verhalten der Schüler und alle Vorkommnisse werden täglich im Generalbuch festgehalten
und dem Inspektor regelmäßig zur Ansicht ausgehändigt (vgl. Foucault, 1976: 202).
Um die „Kontrolle der Tätigkeit“ darzustellen, beschreibt Foucault die Zeitplanung, die
zeitliche Durcharbeitung der Tätigkeit, die Zusammenschaltung von Körper und Geste, die
Zusammenschaltung von Körper und Objekt, die erschöpfende Ausnutzung (vgl. Foucault,
1976: 192-200). Die „Zeitplanung“, welche an den Kollegs, den Werkstätten und den
Spitälern eingesetzt wurde, orientierte sich an den drei Elementen des Klosters:
Festsetzung von Rhythmen, Zwang zu bestimmten Tätigkeiten und Regelung der
Wiederholungszyklen (vgl. Foucault, 1976: 192). „Jahrhundertelang waren die religiösen
Orden Meister der Disziplin: sie waren die Spezialisten der Zeit, die großen Techniker des
Rhythmus und der regelmäßigen Tätigkeiten“ (Foucault, 1976: 193). Die Disziplin
orientierte sich an diesen Verfahren und verfeinert diese. „Man beginnt, in Viertelstunden,
Minuten, Sekunden zu rechnen“ (Foucault, 1976: 193). Foucault beschreibt, dass die
Zeiteinteilung an den Elementarschulen strenger wird. Die Schule beginnt und endet mit
dem Glockenschlag. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird der Stundenplan genau durch
getaktet. Die Zeit soll ausschöpfend genutzt werden. Dadurch wird kontrolliert, Druck
ausgeübt und jegliche Störungen oder Zerstreuungen sollen vermieden werden (vgl.
Foucault, 1976: 193-194).Die gemessene und bezahlte Zeit muß auch eine Zeit ohne Fehl
und Makel sein, eine Zeit guter Qualität, in welcher der Körper ganz seiner Pflichttätigkeit hingegeben ist. Die Genauigkeit und die Aufmerksamkeit bilden mit der Regelmäßigkeit die Kardinaltugenden der Disziplinarzeit (Foucault, 1976: 194).
Durch die „zeitliche Durcharbeitung der Tätigkeit“ entsteht ein „anatomisch
chronologisches Verhaltensschema“. Die Bewegung wird vorgeschrieben und in ihre
einzelnen Bestandteile zerlegt. Dabei ist genau festgelegt, in welche Richtung die
Bewegung auszuführen ist. Auch die Dauer und die Reihenfolge sind genauestens
festgeschrieben (vgl. Foucault, 1976: 195). „Die Zeit durchdringt den Körper und mit der
Zeit durchsetzen ihn alle minutiösen Kontrollen der Macht“ (Foucault, 1976: 195).
Mit der Disziplinarkontrolle kommt es somit zu der „Zusammenschaltung von Körper und
Geste“. Dabei soll die höchstmögliche Leistung erzielt werden (vgl. Foucault, 1976: 195).
„Ein disziplinierter Körper ist der Träger einer leistungsstarken Geste“ (Foucault, 1976:
196). Beim Schreiben zum Beispiel läuft die Bewegung routiniert ab, denn der Körper hat
den Code dieser Bewegung und den Ablauf verinnerlicht. Lehrkräfte sollten die Schüler
auf Ihre Haltung beim Schreiben hinweisen, wenn diese nicht dem Erwarteten entspricht
(vgl. Foucault, 1976: 195-196).
Zusätzlich kommt es auch zu der „Zusammenschaltung von Körper und Objekt“. „Die
Disziplin definiert jedes Verhältnis, das der Körper mit dem manipulierten Objekt
eingehen muß, und legt eine bestimmte Verzahnung fest“ (Foucault, 1976: 196). Dabei
werden sowohl die Körperelemente als auch die Objektelemente zerlegt und durch die
Gesten miteinander fixiert. „Und so wird der Charakter dieser Disziplinarmacht sichtbar:
es geht ihr weniger um Ausbeutung als um Synthese, weniger um Entwindung des
Produktes als um Zwangsbindung an den Produktionsapparat“ (Foucault, 1976: 197).
Letztendlich geht es um die „erschöpfenden Ausnutzung“. Bei der Disziplin soll aus
jedem Augenblick die höchste auszuschöpfende Kraft und somit die bestmögliche Leistung
herausgeholt werden. Dies entspricht einer positiven Ökonomie, denn es geht nicht nur um
Einsatz, sondern um „erschöpfende Ausnutzung“ und somit um höchste Wirksamkeit (vgl.
Foucault, 1976: 198). „Je mehr man die Zeit zerlegt, um so mehr vervielfältigt man ihre
Unterteilungen; um so besser entfaltet man ihre einzelnen inneren Elemente unter einem
sie kontrollierenden Blick; um so mehr kann man eine Operation beschleunigen bzw. ihre
Geschwindigkeit optimal regulieren“ (Foucault, 1976: 198). So lernen Schüler/innen im
Unterricht ihre Aufgaben schnell und richtig zu beantworten. Dabei soll der zeitliche
Übergang von der einen Tätigkeit zur anderen verringert werden, denn so wird die
Schnelligkeit selbst zur angestrebten Tugend. Der „natürliche Körper“ entsteht und ersetzt
den „mechanischen Körper“ (vgl. Foucault, 1976: 199).
Es handelt sich mehr um einen Körper der Übung als um einen Körper der spekulativen Physik; eher um einen von der Autorität manipulierten Körper als um einen von Lebensgeistern
bevölkerten Körper; um einen Körper der nützlichen Dressur und nicht der rationellen Mechanik. Gerade in diesem Körper kündigen sich nun allerdings gewisse Erfordernisse der Natur sowie der
funktionellen Zwänge an (Foucault, 1976: 199-200).
Somit entsteht durch die „Disziplinarmacht“ eine Individualität, die auf der einen Seite
„analytisch“ und „zellenförmig“ ist, aber auf der anderen Seite „natürlich“ und „organisch“
(vgl. Foucault, 1976: 201).
„Die Disziplinen, die den Raum analysieren und die Tätigkeiten zerlegen und wieder
zusammensetzen, müssen auch als Apparate funktionieren, welche die Zeit addieren und
kapitalisieren“ (Foucault, 1976: 202-203). Dafür werden vier Verfahren eingesetzt.
„Erstens wird die Dauer in sukzessive oder parallele Abschnitte geteilt, von denen jeder
auf ein bestimmtes Endziel ausgerichtet ist“ (Foucault, 1976: 203). Diese Zeitstränge
werden als zweites Verfahren nach einem „analytischen Schema“ gegliedert. Einfache
Elemente werden so wiederholt und dann mit steigender Komplexität miteinander
verbunden (vgl. Foucault, 1976: 203). „Drittens werden diese Zeitabschnitte finalisiert; es
wird ihnen ein bestimmtes Ziel gesetzt, das durch eine Prüfung ausgewiesen wird“
(Foucault, 1976: 204). Ziel der Prüfung ist es, dass die Schüler/innen zeigen können, dass
sie das gesetzte Leistungsniveau erreicht haben. Zusätzlich lässt die Prüfung auch eine
gleichförmige Ausbildung entstehen und differenziert zwischen den Schülerleistungen. Im
weiteren Verlauf wird auf die bedeutende Funktion der Prüfung noch genauer
eingegangen. Als viertes Verfahren werden Serien geschaltet. Je nach Alter und
Leistungsstand werden Übungen angeordnet (vgl. Foucault, 1976: 204-205). „So ist jedes
Individuum in eine Zeitreihe eingespannt, die sein Niveau und seinen Rang definiert“
(Foucault, 1976: 205). Die Zeit in der pädagogischen Praxis wird spezialisiert, denn die
Ausbildung bekommt ihre Zeit zugesprochen und wird von der Erwachsenen- und
Berufswelt getrennt. Die Prüfungen zeigen die jeweiligen erreichten Stadien an.
Programme müssen in einer bestimmten Dauer ablaufen und in ihnen müssen die Übungen
so eingebunden werden, dass der Schwierigkeitsgrad immer mehr ansteigt. Je nachdem,
wie das Individuum diese Serie absolviert, erhält es seine Qualifizierung (vgl. Foucault,
1976: 205).
„Es entsteht eine analytische Pädagogik, die in ihrem Detail sehr sorgfältig ist (sie zerlegt den Unterrichtsstoff in seine einfachsten Elemente und hierarchisiert jede Phase des Fortschritts in präzisen
Stufen) und in ihren geschichtlichen Auftreten sehr zukunftsweisend (sie greift weit auf die genetische Analyse der Ideologien voraus, als deren technisches Modell sie erscheint)“
(Foucault, 1976: 205).
Durch diese Disziplinarverfahren entsteht eine lineare Zeit, welche auf einen fixen
Endpunkt ausgerichtet ist und dabei handelt es sich um evolutive Zeit. Die individuellen
Serien gehen aus den Disziplinartechniken hervor. Foucault spricht in diesem
Zusammenhang von „einer Evolution als Entwicklung“ (vgl. Foucault, 1976: 207).
Der Fortschritt der Gesellschaften und die Entwicklung der Individuen – diese beiden großen Entdeckungen des 18. Jahrhunderts entsprechen wohl den neuen Machttechniken, den
neuen Prozeduren des abteilenden, reihenden, zusammenfügenden
und –zählenden Einsatzes der Zeit (Foucault, 1976: 207).
Mit Hilfe der Übung werden die entsprechenden Elemente der Aufgabe wiederholt und
können dem entsprechenden Leistungsniveau angepasst werden (vgl. Foucault, 1976: 207).
„Auf diese Weise gewährleistet sie in der Form der Stetigkeit und des Zwanges sowohl
Steigerung wie Beobachtung und Qualifizierung“ (Foucault, 1976: 208). Die Übung legt
von Beginn an fest, was als Endzustand erreicht werden sollte und somit findet eine
Charakterisierung der Individuen statt (vgl. Foucault, 1976: 207-208).
„Die Disziplin ist nicht mehr bloß eine Kunst der Verteilung von Körpern und der
Gewinnung und Anhäufung von Zeit, sondern die Kunst der Zusammensetzung von
Kräften zur Herstellung eines leistungsfähigen Apparates“ (Foucault, 1976: 212). Der
Körper wird platziert, bewegt und an andere Elemente angeschlossen. Somit wird der
Körper über den Platz definiert, welchen dieser eingenommen hat. „Der Körper
konstituiert sich als Element einer vielgliedrigen Maschine“ (Foucault, 1976: 212). Durch
die Serien lässt die Disziplin eine zusammengesetzte Zeit entstehen (vgl. Foucault, 1976:
213). „Es gibt keinen einzigen Augenblick des Lebens, aus dem nicht Kräfte
herauszuholen sind, sofern man ihn zu differenzieren und mit anderen zu kombinieren
weiß“ (Foucault, 1976: 213). Um diese Kombination der Kräfte zu erreichen, ist ein
„präzises Befehlssystem“ nötig. Ziel des Befehls ist es, dass das gewünschte Verhalten
gezeigt wird. Da nicht das Verstehen des Befehls im Vordergrund steht, wird dieser nicht
erklärt oder begründet. Der Befehl soll wie ein Signal wahrgenommen werden, und als
Reaktion soll das gewünschte Verhalten gezeigt werden. Das Signal und die entsprechende
Reaktion sind als „vorgegebener Code“ verinnerlicht. In der Schule soll der Unterricht
ohne Unterbrechungen ablaufen, damit keine Zeit vergeudet wird. Somit sollen
Schüler/innen auf ritualisierte Signale der Lehrkraft direkt reagieren und die erwünschte
Reaktion zeigen. Das eingesetzte Signal soll die Aufmerksamkeit aller Schüler/innen auf
sich ziehen. Immer wenn die Lehrkraft diese Aufmerksamkeit erreichen möchte, sollte
dieses Signal eingesetzt werden und die Schüler/innen werden diese automatisierte
Reaktion abrufen (vgl. Foucault, 1976: 214-215).
Zusammenfasend lässt sich festhalten, dass die Disziplin eine Individualität mit vier
Merkmalen entstehen lässt. Wegen der räumlichen Parzellierung ist diese Individualität
zellenförmig. Aufgrund der Codierung von Tätigkeiten ist diese organisch. Die
Individualität ist evolutiv, wegen der Zeithäufung. Die Zusammensetzung der Kräfte macht
diese kombinatorisch (vgl. Foucault, 1976: 216).
Und um das zu erreichen, setzt die Disziplin vier große Techniken ein: sie konstruiert Tableaus; sie schreibt Manöver vor; sie setzt Übungen an; und um das Zusammenspiel der Kräfte zu
gewährleisten, ordnet sie ‚Taktiken‘ an. Die Taktik als die Kunst, mit Hilfe lokalisierter Körper, codierter Tätigkeiten und formierter Fähigkeiten Apparate zu bauen, die das Produkt verschiedener
Kräfte durch ihre kalkulierte Kombination vermehren, stellt zweifellos die höchste Stufe der Disziplinarpraktik dar (Foucault,1976: 216).
Die Macht entzieht nicht die Kräfte, sondern verbindet diese, so dass sich diese
vervielfältigen und ihre volle Leistung nutzbringend hervortritt. Die Macht unterwirft
nicht, sondern trennt, analysiert, differenziert und gliedert bis in die kleinsten Einzelheiten.
„Die Disziplin ‚verfertigt‘ Individuen: sie ist die spezifische Technik einer Macht, welche
die Individuen sowohl als Objekte wie als Instrumente behandelt und einsetzt“ (Foucault,
1976: 220). Diese Macht schleicht sich winzig und unscheinbar als kalkulierte Ökonomie
in die Gesellschaft (vgl. Foucault, 1976: 220).
„Zweifellos liegt der Erfolg der Disziplinarmacht am Einsatz einfacher Instrumente: des
hierarchischen Blicks, der normierenden Sanktion und ihrer Kombination im Verfahren der
Prüfung“ (Foucault, 1976: 220). Um die Disziplintechniken durchzusetzen, benötigte es
eine andere Form der Architektur. Die prunkvollen Paläste zogen die Blicke auf sich und
die Festungen dienten der Überwachung. Doch jetzt wurde eine Architektur benötigt,
welche den Blick auf die Insassen lenkt und eine „innere, gegliederte und detaillierte
Kontrolle“ ermöglicht. Die Architektur selbst soll auf die Individuen wirken und ihr
Verhalten beeinflussen und verändern. Damit der Blick ins Innere gelangen kann, werden
die dicken Mauern der Einschließung und Klausur nicht mehr benötigt, sondern das
Prinzip der Öffnung steht im Vordergrund (vgl. Foucault, 1976: 222). „Die Durchsetzung
der Disziplin erfordert die Einrichtung des zwingenden Blicks: eine Anlage, in der die
Techniken des Sehens Machteffekte herbeiführen und in der umgekehrt die Zwangsmittel
die Gezwungenen deutlich sichtbar machen“ (Foucault, 1976: 221). Um dies zu erreichen,
sollte es in der Mitte einen Punkt geben von dem alles eingesehen werden kann und auf
diesen alle Blicke gerichtet sind. Das Licht spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn es
erhellt alles und lässt somit das Gesehen werden zu (vgl. Foucault, 1976: 224). „Die
Überwachung wird zu einem entscheidenden ökonomischen Faktor, da sie sowohl ein
Element im Produktionsapparat wie auch ein Rädchen innerhalb der Disziplinargewalt ist“
(Foucault, 1976: 226-227). In den Elementarunterricht wird die Überwachung in das
Erziehungsverhältnis eingebaut. Schüler/innen werden Überwachungsaufgaben gegeben (vgl. Foucault, 1976: 227).
Ordnungsdienste
Hier zeichnet sich eine ‚wechselseitige‘ Institution ab, die drei
Prozeduren zusammenfaßt: den eigentlichen Unterricht, die
Aneignung von Kenntnissen durch die Ausübung der
pädagogischen Tätigkeit und schließlich eine gegenseitige und
hierarchisierte Beobachtung. Ein definiertes und geregeltes
Überwachungsverhältnis steht im Zentrum der Unterrichtspraxis:
nicht mehr als danebenliegendes Element, sondern als ein
Mechanismus, der ihre Leistung von innen heraus steigert
(Foucault, 1976: 228).
Somit ist die „Disziplinargewalt“ als System in die Institution integriert und entwickelt
sich so zu einer „vielfältigen, autonomen und anonymen Gewalt“ (vgl. Foucault, 1976:
228). Die Überwachung ist wie ein Beziehungsnetz geflochten. Durch dieses Netz
entstehen „pausenlos überwachte Überwacher“. Die Macht ist somit eine Maschinerie, die
von innen heraus funktioniert. Somit ist die Macht keine Sache, die eine Person besitzt
(vgl. Foucault, 1976: 228-229). „Zwar gibt ihr der pyramidenförmige Aufbau einen ‚Chef‘;
aber es ist der gesamte Apparat, der ‚Macht‘ produziert und die Individuen in seinem
beständigen und stetigen Feld verteilt“ (Foucault, 1976: 229). So ist eine
„Kontrollmaschinerie“ entstanden, die wie ein Mikroskop das Verhalten jedes Individuums
bis ins kleinste Detail in den Blick nimmt. Die Institutionen sind als „Beobachtungs-,
Registrier- und Dressurapparat“ errichtet wurden, in welchem sich die Individuen befinden
(vgl. Foucault, 1976: 224).
Durch die Disziplinen wird eine „Sub-Justiz“ in die Institutionen eingeführt. Dadurch
werden Verhaltenszüge intern bestraft. So werden bei der „Mikro-Justiz der Zeit“
Abwesenheiten und Verspätungen erfasst und gegebenenfalls sanktioniert. Bei der „Mikro
Justiz der Tätigkeit“ werden Verhaltensweisen, wie Unaufmerksamkeit, Nachlässigkeit
oder Faulheit angemerkt. Bei der Mikro-Justiz des Körpers sollen als falsch aufgefasste
Körperhaltungen und Gesten, sowie Unsauberkeit ermahnt werden (vgl. Foucault, 1976:
230). „Gleichzeitig werden als Bestrafungen eine Reihe subtiler Verfahren eingesetzt: von
der leichten körperlichen Züchtigung bis zu geringfügigen Entziehungen und kleinen
Demütigungen“ (Foucault, 1976: 230). Unter Strafe wird alles gestellt, was nicht der Norm
entspricht (vgl. Foucault, 1976: 231).
Durch die „Disziplinarstrafe“ sollen Abweichungen von der Norm verhindert werden.
Diese soll korrigierend auf das Verhalten der Individuen wirken. Dabei wird die Übung als
Bestrafung eingesetzt. Denn durch intensives, vielfaches und wiederholtes Lernen soll das
angestrebte Verhalten automatisiert werden (vgl. Foucault, 1976: 232). „Der erwartete
Besserungseffekt resultiert weniger aus Sühne und Reue als vielmehr direkt aus der
Mechanik einer Dressur. Richten und Abrichten“ (Foucault, 1976: 232). Es geht aber nicht
nur um das Bestrafen, sondern auch um das Belohnen. Denn Schüler/innen, welche aus
Trägheit ihre Leistung nicht abrufen, könnten durch das Mitansehen, wie fleißige
Schüler/innen gelobt werden, dazu motiviert werden auch ihre Leistung abzurufen, um
dann auch eine Belohnung zu erhalten. Die Lehrkraft sollte mehr Belohnungen einsetzen
als Bestrafungen. Bei der „Disziplinarjustiz“ werden die Leistungen und das gezeigte
Verhalten in die Kategorien gut und schlecht eingeteilt. Dies wird alles schriftlich
festgehalten und so entsteht von jedem einzelnen Individuum eine eigene Strafbilanz.
Dieses System wurde sehr stark in den Schulen verankert (vgl. Foucault, 1976: 232-233).
In dieser Mikro-Ökonomie einer pausenlosen Justiz vollzieht sich
die Differenzierung – nicht der Taten, sondern der Individuen
selber: ihrer Natur, ihrer Anlagen, ihres Niveaus, ihres Wertes.
Indem sie die Taten mit größter Genauigkeit sanktioniert,
durchschaut sie die Individuen ‚in Wahrheit‘. Ihr Strafsystem
gehört in den Kreislauf der Erkenntnis der Individuen (Foucault,
1976: 234).
Durch die Ränge werden auf der einen Seite die Abstände zwischen den Leistungen,
Fähigkeiten und Kompetenzen deutlich, aber auf der anderen Seite wirkt ein Rang auch
selbst als Belohnung oder Bestrafung (vgl. Foucault, 1976: 234). „Die Disziplin belohnt
durch Beförderungen, durch die Verleihung von Rängen und Plätzen; sie bestraft durch
Zurücksetzungen. Der Rang selber gilt als Belohnung oder Bestrafung“ (Foucault, 1976:
234). Durch diese „hierarchisierende Strafjustiz“ lastet ein andauernder Druck auf die
Schüler/innen. Damit soll erreicht werden, dass sie sich der Norm anpassen. Alle Übungen
und Aspekte der Disziplin sollen genauso ausgeführt werden, wie es von ihnen erwartet
wird. So dass jedes Individuum ein Teil der Norm darstellt und sich somit alle gleichen.
Zudem werden die Schüler/innen durch die „hierarchisierende Strafjustiz“ nach ihren
Leistungen, ihrem Verhalten und ihrer Nützlichkeit selektiert (vgl. Foucault, 1976: 235).
„Das lückenlose Strafsystem, das alle Punkte und alle Augenblicke der
Disziplinaranstalten erfaßt und kontrolliert, wirkt vergleichend, differenzierend,
homogenisierend, ausschließend. Es wirkt normend, normierend, normalisierend“
(Foucault, 1976: 236)1. Durch die Disziplinen kann sich die „Macht der Norm“ entfalten
(vgl. Foucault, 1976: 237). „Einerseits zwingt die Normalisierungsmacht zur Homogenität,
andererseits wirkt sie individualisierend, da sie Abstände mißt, Niveaus bestimmt,
Besonderheiten fixiert und die Unterschiede nutzbringend aufeinander abstimmt“
(Foucault, 1976: 237-238).
Die Überschneidung von Macht und Wissen wird in der Prüfung sichtbar. Die Prüfung ist
in den Disziplinarapparaten stark vertreten (vgl. Foucault, 1976: 238). So ist die Prüfung
ein festverankerter Bestandteil des Schulsystems und somit auch des Unterrichts. Dadurch
kommt es zu einer fortlaufenden Messung und Erfassung der Schülerleistungen und somit
auch zu dem andauernden Vergleich der Schüler/innen untereinander.
Die Prüfung kombiniert die Techniken der überwachenden
Hierarchie mit denjenigen der normierenden Sanktion. Sie ist ein
normierender Blick, eine quantifizierende, klassifizierende und
bestrafende Überwachung. Sie errichtet über den Individuen eine
Sichtbarkeit, in der man sie differenzierend behandelt (Foucault,
1976: 238).
So wird die Prüfung gleichzeitig auch zur Sanktion und zu einem Machtritual. Mit der
Verankerung der Prüfung an der Schule entstand auch die „Pädagogik als auftretende
Wissenschaft“ (vgl. Foucault, 1976: 240-241).
„Die Prüfung ist ein Mechanismus, der eine bestimmte Form der Machtausübung mit
einem bestimmten Typ der Wissensformierung kombiniert“ (Foucault, 1976: 241). Dafür
führt Foucault drei Aspekte auf. So wird durch die Prüfung die „Ökonomie der
Sichtbarkeit“ in der Machtausübung gegensätzlich. Die traditionelle Macht stand im Fokus
des Lichts und entfaltete mit diesem Glanz ihre Kraft. Welche die Kraft dieser Macht zu
spüren bekamen, blieben im Dunkeln verborgen. Bei der Disziplinarmacht kehrt sich
dieses Lichtverhältnis um. Alle Scheinwerfer sind nun nicht mehr auf den
Machtausübenden gerichtet, sondern auf die Unterworfenen. Denn die Disziplinarmacht ist
unsichtbar. Das Licht sichert der Disziplin ihre Macht, denn jetzt steht das ständige
Gesehen werden der einzelnen Individuen im Fokus. Somit geht es bei der
Disziplinarmacht nicht mehr um die Sichtbarkeit des Monarchen, sondern um die
Sichtbarkeit der Subjekte (vgl. Foucault, 1976: 241-243).
In dieser prunkvollen Spieleart der Prüfung werden die ‚Subjekte‘
als Objekte einer Macht zur Beobachtung vorgeführt, die sich nur durch ihren Blick kundtut. Sie empfangen nicht direkt das Bild der souveränen Macht, sondern bringen deren Wirkungen nur in ihren
genau lesbar und gelehrig gewordenen Körpern zur Geltung“ (Foucault, 1976: 242).
Als zweiten Aspekt führt Foucault auf, dass durch die Prüfung die Individualität der
Subjekte erfasst und festgehalten wird. Somit werden die Subjekte durch die Prüfung nicht
nur überwacht, sondern auch erfasst, registriert und ihre Daten werden gespeichert. Dies
macht es möglich, dass jederzeit auf diese Daten zurückgegriffen werden kann. Dadurch
können Vergleichswerte Durchschnittsermittlungen, ermittelt werden.
„Normenfixierungen“, Aufgrund dessen Klassifizierungen können und
Kategorienbildung angestrebt und durchgeführt werden. In diesem Machtgeflecht entsteht
eine „Formalisierung“ der Individualität (vgl. Foucault, 1976: 243-245). „Darin liegt die
entscheidende Neuerung dieser kleinen Notierungs-, Registrierungs-, Auflistungs- und
Tabellierungstechniken, die uns so vertraut sind: sie haben die epistemologische Blockade
der Wissenschaften vom Individuum aufgehoben“ (Foucault, 1976: 245-246). Als dritten
Aspekt führt Foucault auf, dass jedes Individuum durch die Prüfungsdokumentation zu
einem „Fall“ wird. Die Subjekte werden auf ihre individuellen Unterschiede festgelegt und
mit Noten versehen. In der vergangenen Zeit wurde über die Machtausübenden berichtet,
denn die Berichterstattung war ein Privileg. Durch die Disziplinarmacht wird auch dies
gegenteilig. Die Beobachtung, Beschreibung und Dokumentation der Subjekte wird zum
Mittel der Kontrolle (vgl. Foucault, 1976: 246-248). „Diese Aufschreibung der wirklichen
Existenzen hat nichts mehr mit Heroisierung zu tun: sie fungiert als objektivierende
Vergegenständlichung und subjektivierende Unterwerfung“ (Foucault, 1976: 248).
Indem sie hierarchische Überwachung und normierende Sanktion
kombiniert, erbringt die Prüfung die großen Disziplinarleistungen
der Verteilung und Klassifizierung, der maximalen Ausnutzung
der Kräfte und Zeiten, der stetigen Anhäufung und optimalen
Zusammensetzung der Fähigkeiten. Also der Herstellung der
zellenförmigen, organischen, evolutiven und kombinatorischen
Individualität. (Foucault, 1976: 247-248).
Die Disziplinarmacht zeigt sich in der Architektur des Panopticon von Jeremy Bentham
aus dem Jahr 1787 (vgl. Foucault, 1976: 257; Kammler, Parr & Schneider, 2008: 279).2
Das Panopticon sichert die Machtwirkung jeder Institution und dies unter guten
ökonomischen Voraussetzungen. Es wirkt präventiv und funktioniert zu jeder Zeit durch
seine automatischen Mechanismen. Foucault bezeichnet das Panopticon unter dieser
politischen Perspektive als „Ei des Kolumbus“ (vgl. Foucault, 1976: 265).
2Das Panopticon wurde nicht gebaut (vgl. Prinz, 2014: 127). Ein Plan des Panopticon kann dem Anhang
entnommen werden.
Sein Prinzip ist bekannt: an der Peripherie ein ringförmiges Gebäude; in der Mitte ein Turm, der von breiten Fenstern durchbrochen ist, welche sich nach der Innenseite des Ringes öffnen; das Ringgebäude ist in Zellen unterteilt, von denen jede durch die gesamte Tiefe des Gebäudes reicht; sie haben jeweils
zwei Fenster, eines nach innen, das auf die Fenster des Turms gerichtet ist, und eines nach außen, so daß die Zelle auf beiden Seiten von Licht durchdrungen wird (Foucault, 1976: 256-257).
Die Architektur des Panopticon ermöglicht, dass die Insassen dauernd gesehen werden
können ohne selbst den Beobachter zu sehen. So wird der Insasse zu einem „Objekt der
Information“ und ist nie das „Subjekt in der Kommunikation“. Durch die seitliche
Abtrennung von den anderen Individuen wird eine Ordnung aufrechterhalten (vgl.
Foucault, 1976: 257-258). So gibt es bei Schülern „[…] kein Abschreiben, keinen Lärm,
kein Schwätzen, keine Zerstreuung […]“ (Foucault, 1976: 257-258). Für den Beobachter
wird die Masse so zu einer kontrollierbaren Vielfalt. Aus Sicht der Insassen handelt es sich
um eine „erzwungene und beobachtete Einsamkeit“ (vgl. Foucault, 1976: 258). Da der
Insasse ständig gesehen werden kann, aber selbst den Beobachter nie sieht, entsteht eine
permanente Überwachung. Denn auch wenn der jeweilige Insasse nur hin und wieder
beobachtet wird, weiß dieser ja nicht, wann dies der Fall ist und wann nicht. So greift die
Wirkung der permanenten Überwachung, auch wenn diese gar nicht permanent ausgeführt
wird. Und dies zeichnet das Panopticon aus. Es entsteht ein Machtverhältnis, „[…] welches
vom Machtausübenden unabhängig ist; die Häftlinge sind Gefangene einer Machtsituation,
die sie selber stützen“ (Foucault, 1976: 258).
Diese Anlage ist deswegen so bedeutend, weil sie die Macht
automatisiert und entindividualisiert. Das Prinzip der Macht liegt
weniger in einer Person als vielmehr in einer konzentrierten
Anordnung von Körpern, Oberflächen, Lichtern und Blicken; in
einer Apparatur, deren innere Mechanismen das Verhältnis
herstellen, in welchem die Individuen gefangen sind (Foucault,
1976: 259).
Jeder kann diese Anlage der Macht bedienen und somit spielt es keine Rolle, wer die
Macht ausübt (vgl. Foucault, 1976: 259-260).
Derjenige, welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist und dies weiß,
übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich
selber aus; er internalisiert das Machtverhältnis, in welchem er
gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen
Unterwerfung (Foucault, 1976: 260).
Die Macht wird unkörperlich, aber dafür entfaltet sich ihre Wirkung immer tiefer im
Verhalten des Individuums (vgl. Foucault, 1976: 260-261). Das panoptische Schema kann
angewendet werden, wenn es darum geht Individuen ein Verhalten oder eine Aufgabe
aufzuzwingen. So kann dieses Schema auch in den Schulen angewendet werden (vgl.
Foucault, 1976: 264). „Die Sehmaschine, die eine Art Dunkelkammer zur Ausspähung der
Individuen war, wird ein Glaspalast, in dem die Ausübung der Macht von der gesamten
Gesellschaft durchschaut und kontrolliert werden kann“ (Foucault, 1976: 266-267). Das
panoptische Schema wird zu einer verallgemeinerten Funktion im Gesellschaftskörper, um
„[…] die Gesellschaftskräfte zu steigern – die Produktion zu erhöhen, die Wirtschaft zu
entwickeln, die Bildung auszudehnen, das Niveau der öffentlichen Moral zu heben; zu
Wachstum und Mehrung beizutragen“ (Foucault, 1976: 267). Im 17. und 18. Jahrhundert
fanden die Disziplinmaßnahmen hinter verschlossenen Türen statt, wie den Kollegs,
Manufakturen oder Kasernen. Durch das Panopticon sollen die Disziplinarmechanismen
die Gesellschaft lückenlos überwachen und durchdringen und so kommt es zu einer
„Formierung der Disziplinargesellschaft“ (vgl. Foucault, 1976: 268-269).
Wir haben es also mit zwei entgegengesetzten Bildern von
Disziplin zu tun: auf der einen Seite die Disziplin als Blockade, als
geschlossene Anstalt, die innerhalb bestimmter Grenzen auf
negierende Funktionen ausgerichtet ist: Bannung des Übels,
Unterbrechung der Beziehungen, Aufhebung der Zeit. Auf der
anderen Seite die Disziplin als panoptischer Betrieb, als
Funktionszusammenhang, der die Ausübung der Macht
verbessern, d.h. beschleunigen, erleichtern, effektiver machen soll:
ein Entwurf subtiler Zwangsmittel für eine künftige Gesellschaft
(Foucault, 1976: 269).
Abschließend kann in Bezug zum verräumlichten Subjekt nach Foucault zusammenfassend
festgehalten werden, dass das Subjekt durch die Institution und die Ausübung der
Disziplinierungsmacht erst hervorgebracht wird. Zuerst werden die Subjekte als einzelne
Individuen wahrgenommen, danach im Raum verteilt, kontrolliert, registriert, klassifiziert,
dressiert, diszipliniert und somit der vorgegebenen und gewünschten Norm unterworfen.
Nach Foucault wird das Subjekt auf zweierlei Hinsicht unterworfen. Zum einen geschieht
dies durch die fremdbestimmte Überwachung und auf der anderen Seite unterwirft sich das
Subjekt aufgrund von Selbstkontrolle und Selbstdisziplin selbst (vgl. Foucault, 1976).
Quellen
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt:
Suhrkamp Verlag 1976
Dazu zu empfehlen ist mein publizierter Artikel:
Guettaf, S. (2024). Schul-Disziplinierung und Norm-Individualität zum Spannungsfeld
von Disziplin und Selbst. nAB, verfügbar unter:
https://www.nabnotizenarchitekturbildung.net/download/notiz-964schul
disziplinierung-und normindividualitaet-von-sina
guettaf/?wpdmdl=659&refresh=6634af0a564b71714728714
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Die Motivation hat einen sehr bedeutsamen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung, das Selbstkonzept und die Leistungsqualität. Wie Aufgaben und das Lernen an sich von Kindern und Jugendlichen angegangen werden, beeinflusst auch das Herangehen an Arbeitsaufgaben im Erwachsenenalter, aber auch den Umgang mit Krisen und Niederlagen. Schon in den frühesten Kindheitsentwicklungsstufen ist die Motivation zur Interaktion mit der sozialen Umwelt gegeben. Damit bildet Sie das Fundament für den Erwerb kognitiver Fähigkeiten und ist entscheidend für die Entwicklung des individuellen Selbst (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 235 zitiert nach Ryan 1992).
„Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation macht geltend, daß Menschen den intrinsischen (angeborenen) Wunsch haben, ihre Umwelt zu erforschen, zu verstehen und ‚in sich aufzunehmen‘ (assimilieren)“ (Deci & Ryan, 1993, S. 235).
Extrinsische und intrinsische Motivation
Die Unterscheidung der extrinsischen und intrinsischen Motivation ist in der pädagogischen Psychologie sehr bedeutsam.
Intrinsische Motivation ist das eigene Interesse und der Wunsch sich mit dem Thema zu befassen oder die Aufgabe zu bewältigen. Während bei der extrinsischen Motivation der Anreiz von außen gesetzt wird, indem zum Beispiel für die Gartenarbeit 10 Euro gezahlt werden. Die Gartenarbeit zu übernehmen, geschieht dann durch den Anreiz das Geld zu besitzen und nicht aus der Leidenschaft im Garten zu arbeiten, dies wäre dann angeregt durch die intrinsische Motivation (vgl. SchiefeIe. U. & Köller. O. 2010, S. 336ff). Bei der intrinsischen Motivation ist dann nicht das Geld die Belohnung, sondern der Spaß oder vielleicht sogar die Leidenschaft für die Gartenarbeit. Die Motivation und die Belohnung liegt somit in der Arbeit selbst begründet. Die Aufgabenbewältigung wird bei der intrinsischen Motivation selbstbestimmt erlebt (vgl. Rheinberg, 2010, S. 369).
Die intrinsischen Motivation wird in die tätigkeitszentrierte und die gegenstandszentrierte Motivation unterteilt. Bei der tätigkeitszentrierten intrinsischen Motivation liegt das Interesse oder die Leidenschaft an der Aktivität des Streetdance und deshalb ist die Motivation sehr hoch an der Sportunterrichtseinheit zum Streetdance teilzunehmen, auch wenn beim Fußball kaum Motivation vorhanden ist. Hingegen ist bei der gegenstandbezogenen intrinsischen Motivation der Sport selbst als Gegenstand der Interessenanreiz und die Motivation.
Wenn die intensivere Erarbeitung eines Themas im Vordergrund der Leistung steht oder die Textlernleistungen, ist die intrinsische Motivation als Anreiz eher geeignet, da dies die Leistung steigert. Bei Faktenfragen hingegen, werden keine Unterschiede der Leistung deutlich, wenn die extrinsische oder die intrinsische Motivation von den Schüler.innen gewählt wurde (vgl. SchiefeIe. U. & Köller. O. 2010, S. 336ff, zitiert nach Schiefeie & Schreyer, 1994). Wie sehr die intrinsische und die extrinsische Motivation im Menschen ausgeprägt ist und in welcher Mischung, ist entscheidend. So kann die Leistungsbereitschaft gesteigert werden, wenn Schüler.innen extrinsisch motiviert sind die Prüfung mit den besten Noten zu bestehen, aber gleichzeitig intrinsisch motiviert sind, weil es ihr Lieblingsthema ist und es sich um die Französische Revolution handelt und es ihre Leidenschaft ist, sich mit dem Thema zu befassen.
Bei der intrinsischen Motivation kann es zu einem Flow-Erleben kommen. Dies wurde durch Studien von Csikszentmihalyi bestätigt. „Dieses Erleben umfasst die folgenden Aspekte:
- Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein,
- Zentrierung der Aufmerksamkeit auf die momentane Tätigkeit,
- Selbstvergessenheit und
- Gefühl von Kontrolle über Handlung und Umwelt“ (SchiefeIe. U. & Köller. O. 2010, S. 340).
In diesem Erleben sind Personen am leistungsfähigsten. Dies bestätigt die Thesen, dass intrinsisch motivierte Personen bessere Leistungserlebnisse erzielen (vgl. SchiefeIe. U. & Köller. O. 2010, S. 340). Durch das Flow-Erleben fühlen sich die Personen in positiver Hinsicht ausgelastet und haben das Kontrollgefühl und Bewältigungsgefühl den hohen Anforderungen der Aufgabe gerecht zu werden. Ohne darüber nachdenken zu müssen, weiß die Person, welche Handlung als nächstes umzusetzen ist, und dadurch entsteht ein Flow und ein Fließen oder Verschmelzen mit der Aufgabe. „Der Handlungsablauf wird als glatt erlebt. Ein Schritt geht flüssig in den nächsten über, als liefe das Geschehen gleitend wie aus einer inneren Logik“ (Rheinberg, 2010, S. 369). Die aufgabenbewältigende Person muss sich nicht konzentrieren, denn die Aufgabenbewältigung läuft von selbst (vgl. Rheinberg, 2010, S. 380).
Extrinsisch motivierte Handlungen können durch Internalisation und Integration in selbstbestimmte Handlungen verändert werden. Dies geschieht, indem die Personen Regulierungsmechanismen der sozialen Umwelt internalisieren und sich in der Gemeinschaft zugehörig fühlen. Die internalisierten sozialen Verhaltensweisen werden in das individuelle Selbst integriert und das Handeln als selbstbestimmt erlebt. In seinen Handlungen autonom zu sein, aber auch zu der Gemeinschaft dazu zugehören, bedeutet eine Übernahme von Zielen und Verhaltensnormen in das eigene Selbstkonzept (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 227).
Bei der Selbstbestimmungstheorie wird davon ausgegangen, dass das menschliche Verhalten von physiologischen Bedürfnissen (Trieben), Emotionen, psychologischen Bedürfnissen geprägt ist. Dabei wird den psychologischen Bedürfnissen eine höhere Bedeutung zugesprochen, da diese die Basis der Alltagshandlungen darstellen und Personen über sie ihre Emotionen und Triebe kontrollieren und regulieren können. Bei den psychologischen Bedürfnissen wird davon ausgegangen, dass drei angeboren sind, welche für die intrinsische und extrinsische Motivation bedeutsam sind: Kompetenz- und Wirklichkeitsbedürfnis (nach White, 1959), Autonomie und Selbstbestimmung (De-Charms, 1968), soziale Eingebundenheit und Zugehörigkeit (Harlow, 1958) (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 227). Während die intrinsische Motivation mit dem Kompetenz- und Selbstbestimmungsbedürfnis verknüpft ist, hängen alle Bedürfnisse mit der extrinsischen Motivation zusammen. Personen sind, daher motiviert Ziele anzugehen, da sie dabei ihre angeborenen Bedürfnisse befriedigen können. Wird die Aufgabe weder als zu schwer noch als zu leicht empfunden, besteht das richtige Verhältnis für den intrinsischen Motivationsantrieb einer Person (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 229). Die Motivation steigert sich, wenn die Kontrolle über das Handlungsergebnis aufrecht gehalten werden kann und dabei die Selbstwirksamkeitserwartungen sich erfüllen (Bandura, 1977) (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 231). Ryan und andere Autoren (1982) konnten feststellen, dass die Selbstwirksamkeitserwartungen allein nicht ausschlaggebend für die Entstehung der intrinsischen Motivation sind, sondern mit Kompetenzgefühl und Autonomie gekoppelt werden sollten (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 231).
Für den Unterricht an Schulen kann festgehalte werden, dass „… autonomieunterstützende Maßnahmen und persönliche ‚Anteilnahme‘ Einfluss auf die Selbstständigkeit der Kinder im Rahmen ihrer Schularbeiten hatte“ (Deci & Ryan, 1993, S. 232). Schüler.innen zeigen eine höhere internalisierte Motivation auf und werden von Lehrkräften als leistungsstärkere Kinder bewertet, wenn diese autonomieunterstützend erzogen wurden und persönliche Zuwendung ihrer Eltern erfahren haben (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 232). Sind die Maßnahmen und Rückmeldungen selbstständigkeitsfördernd ausgerichtet und wahrgenommen, wird die intrinsische Motivation gesteigert und die Eigeninitiative und eigene Wahlfreiheit gefördert (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 230).
Die Entwicklung und Beteiligung des individuellen Selbst ist entscheidend für das optimale Lernen. Durch Lernzwang wird die Lernmotivation, die Lerneffektivität und die Entwicklung des individuellen Selbst beeinträchtigt. „Im Gegenzug bewirkt die engagierte Aktivität des Selbst eine höhere Lernqualität und fördert zugleich die Entwicklung des individuellen Selbst“ (Deci & Ryan, 1993, S. 236).
Die soziale Umwelt ist entscheidend für die Autonomie, das Kompetenzgefühl und die soziale Eingebundenheit, sowie die daraus resultierende Motivation (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 236).
Quellen
Deci. E. L. & Ryan. R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik 39, 2, S. 223-238
Rheinberg. F. (2010). Intrinsiche Motivation und Flow-Erleben. In: Jutta Heckhausen, Heinz Heckhausen (Hrsg.): Motivation und Handeln. Berlin & Heidelberg: Springer Verlag, S. 365-387
SchiefeIe. U. & Köller. O. 2010. Intrinsische und extrinsische Motivation. In: Detlef H. Rost, Jörn R. Sparfeldt & Susanne R. Buch (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (5. Aufl.). Weinheim: Beltz, S. 336-344
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Der Begriff „nicht deutsch“ wird schon seit zwanzig Jahren nicht mehr benutzt.
Diese Begrifflichkeit wirkt diskriminierend und ausgrenzend.
Deshalb wurden die Begriffe „Personen mit und ohne Migrationshintergrund“ eingesetzt. Dies zeigt, dass alle diese Personen Bürger Deutschlands sind und somit auch „Deutsche“, aber einen Migrationshintergrund aufweisen.
Dies kann sehr gut bei den PISA-Studien nachgelesen werden und bei der Unterscheidung zu den Schulstatistiken.
Schade, dass zwanzig Jahre Forschung, und Änderung bei der Verwendung von Begriffen nicht mehr beachtet werden, denn dies wirkt wieder diskriminierend und sorgt für Debatten zu Ausgrenzung und Rassismus, wo es dies nicht mehr bedarf.
Außerdem fällt so wieder das Hauptthema weg, nämlich die Gewalt an Frauen.
Änderungen wären wünschens- und empfehlenswert.
Bei den Ergebnissen wäre es noch ratsam, wenn bei den Personen mit Migrationshintergrund nach der 1-4 Generation unterschieden wird und die Darstellung aufgeführt werden würde. Bei der 1 Generation müsste noch zwischen Personen mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund unterschieden werden. Denn die 1 Generation der damaligen angeworbenen Arbeitskräfte („Gastarbeiter“) soll besser integriert sein, als die dritte Generation. Die Frage hier, wäre warum. Dieses Ergebnis könnte verfälscht werden, wenn die Trennung der 1 Generation von Personen mit Migrationshintergrund und Personen mit Fluchthintergrund nicht vorgenommen werden. Im Moment bilden Personen mit Fluchthintergrund sehr stark die Gruppe der 1 Generation, über die ehemaligen angeworbenen Arbeitskräfte denkt kaum jemand nach. Deshalb ist die Unterscheidung ratsam. Dies lässt sich durch Säulendiagramme darstellen.
Auch die Darstellung der Taten von Frauen an Frauen fehlen in den Medien.
Bei der häuslichen Gewalt spielen auch die Gewaltdelikte an Kindern eine Rolle.
Hilfsangebote, Prävention von Gewalttaten, aber auch gezielte Täterarbeit sollte auch benannt werden.
Auch die Gewalttaten am Mann werden nicht benannt.
Hier wäre auch der Hinweis der Männerhäuser als Schutzraum zu nennen, denn viele wissen immer noch nicht, dass es auch für Männer Schutzhäuser gibt.
Leider ist das Thema immer noch sehr Schambelastet. Was es nicht sein muss, denn sowohl Frau als auch Mann können Opfer werden und benötigen Ansprechpartner und einen gewaltfreien Raum.
Dazu zu empfehlen sind der Beitrag auf dieser Seite "Migration und Flucht" und meine publizierten Artikel:
Guettaf, S. (2026). Der Mann als Opfer. Freie Psychotherapie. Magazin des VFP, 01, (im
Druck)
Guettaf, S. (2025). Pädagogische und therapeutische Betrachtungsweisen bei
dissozialen Persönlichkeiten. Freie Psychotherapie. Magazin des VFP, 06, (im
Druck)
Guettaf, S. (2023). Opfer und Täter in unserer Gesellschaft. Aus welcher Perspektive
werden sie wahrgenommen, wie werden Ihre Taten eingeordnet und welche
Präventionsmaßnahmen gibt es. Freie Psychotherapie. Magazin des VFP, 05, 20-25
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Meldung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) -
TV 02.12.2025 und meine Anregungen dazu
- selbständig die Toilette aufzusuchen, wie sich das Kind meldet, um danach zu fragen.
- Wie eine Schultasche gepackt werden muss und zwar jeden Abend, passend zum Stundenplan.
- Wann das Pausenbrot gegessen werden darf oder getrunken wird?
- Wann und in welcher Lautstärke sich unterhalten werden kann?
- Wann gespielt wird und wann gelernt wird?
- Was ist Lernen überhaupt?
- Wie halte ich einen Stift und sitze am Tisch, wenn ich schreibe?
- Was unterscheidet schreiben vom Malen? Wieso verhalte ich mich dann anders oder halte den Stift anders? Mit welchen Stiften male ich und mit welchen Stiften schreibe ich?
- Das Gebäude mit allen Räumen besichtigen – als Spaziergang.
- Schüler.innen und Lehrkraft lernen sich spielerisch kennen.
- Wie sitze ich am Tisch? Wo befinden sich meine Bücher, Hefte und Stifte?
- Wie halte ich den Stift beim Schreiben?
- Wie melde ich mich?
- Was gibt es für Klassenrituale oder gemeinsame Regeln?
- Wo sind die Toiletten, wie gehe ich da hin und wie teile ich der Lehrkraft mit, dass ich auf die Toilette muss?
- Was sind Pausen und wie gestalte ich diese?
Der Mensch entscheidet und hinterfragt kritisch durch seine angeborene Vernunft und seine Emotionen.
Nach Kant soll der Mensch seine Vernunft gebrauchen, kritisch hinterfragen und den kategorischen Imperativ verwenden. Leider berücksichtigt er nicht die Entscheidungen, welche mit dem Herzen getroffen werden. Die Emotionen bestimmen oft unsere Entscheidungen und dies findet keine Erwähnung. Beides zusammen hilft dem Menschen die richtige Entscheidungen zu treffen.
Dies steht für die intelligenten Entscheidungen im Leben. Die höchste Stufe ist die Moralisierung.
Die künstliche Intelligenz kennt keine Moral. Ist die künstliche Intelligenz also sehr intelligent?
Der Mensch ist intelligenter als sie und sollte diese nur zur Unterstützung verwenden.
Die Frage ist nur, warum der Mensch nicht mehr kritisch hinterfragt oder die Vernunft gebraucht? Warum nehmen sie alles so an, wie es ihnen mitgeteilt wird. Selbst wenn sie wissen, dass es falsch ist, machen sie trotzdem mit.Warum ist dies gerade so eine aktuelle Veränderung in der Gesellschaft?
Zu empfehlen ist der Beitrag zu Foucault auf dieser Seite - nur in Bezug zur Digitalisierung und künstlichen Intelligenz
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Der Staat könnte Milliarden einsparen, wenn er die Wohnlandschaft der Renter.innen verändern würde. Diese Gelder könnten in die Renten fließen und natürlich bei dem verschuldeten Staat eingespart werden. Die Renter.innen hätten dann eine höhere Lebensqualität und mehr Geld und der Staat auch. Dies würde auch den Steuerzahlern sehr gefallen.
Bei Rentenkürzungen werden automatisch die Aufstockungen der Sozialgelder steigen und noch mehr Rentner werden bei der Tafel anstehen. Dies hilft dem Staat nicht Gelder einzusparen, sondern es werden noch mehr Sozialausgaben ausgezahlt werden müssen. Dazu kommen noch die Arbeitsstunden und Materialkosten der Ämter der Sozialleistungen zur Aufstockung. Dies sind sehr hohe Kosten und beim Fachkräftemangel keine gute Lösung.
Die Streichung der Mutterrente ist ein großer Fehler, denn die Mütter haben die Kinder erzogen und verarmen dann im Rentenalter. Früher musste die Frau sogar die Erlaubnis ihres Mannes in Deutschland haben, um zu arbeiten. Heute werden diese Frauen noch die Rentenzahlungen entzogen. Ein Kind zu erziehen und zu versorgen, den Haushalt zu managen und für den Mann da zu sein, ist ein Vollzeitjob. Dies sollte auch entlohnt werden.
Heute gehen viele Frauen arbeiten und sind nebenbei noch Mutter und Hausfrau. Sie managen also Beruf, Erziehung der Kinder, den Haushalt und sind für ihren Mann da. In einer gleichberechtigten Beziehung natürlich auch der Mann für die Frau, die Kinder und den Haushalt. Die Familien sollten besser abgesichert und für ihre Leistungen auch belohnt werden.
Aber die Seniorinnen von heute sind noch die Generationen, welche um Erlaubnis fragen mussten und dadurch waren viele nicht berufstätig oder nur in Teilzeitjobs. Die Mütterrente müsste auch den rechten Parteien gefallen.
Der Beitrag zur Geschichte der Kindheit - Kapitel Nationalsozialismus - auf dieser Seite und die Artikel sind zu diesen Themen zu empfehlen:
Guettaf, S. (2024). Lebenseinstellungen und Aktivitäten von Personen im
Rentenalter. NOVAcura ,5, 49-51
Guettaf, S. (2024). Wohnen im Alter. NOVAcura, 4, 48-50
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Wirtschaft und Bildung
Bildungskrise und eine schwache Wirtschaft gehören auch oft zusammen.
Zu diesem Thema ist der Beitrag auf dieser Seite zur Bildungsverantwortung zu empfehlen.